2. August 2011

Wie man den Entschluss fasst in ein Wohnmobil zu ziehen

Das war ja klar: wenn ich einmal ausschlafen kann, fällt bestimmt irgendeinem Trottel ein, ausgerechnet heute unbedingt an meiner Wohnungstür klingeln zu müssen, um seine Werbezettel in unsere Hausbriefkästen loszuwerden.
Verschlafen torkle ich zur Tür und betätige den Summer. Vielleicht ist es ja auch der Paketbote mit dem bestellten Buch, dann hätte sich das frühe Aufstehen gelohnt.
Ein Blick in den Spiegel verrät mir, dass es gestern Abend eindeutig zu spät geworden war, um heute frisch und strahlend vor einem frühen Besucher zu glänzen. Egal, der muss mich jetzt so ertragen, mit Schlaffalten, Strubbelfrisur und… hups, vielleicht sollte ich mir aber noch schnell etwas überwerfen, um meine Schlaffalten auf Bauch und Po zu verdecken.
Als ich die Tür öffne, streckt mir jedoch kein Paketbote mein ersehntes Buch entgegen, ich sehe mich zwei Herren gegenüber, die eindeutig nicht der Gattung Mensch angehören, die man morgens um 8:30 Uhr gerne zu einem Tässchen Tee einlädt. Nein, nicht die Zeugen des Jehova.
Ein dicker Briefumschlag wird mir in die Hand gedrückt, im Sichtfenster zwei kleine schwarze Plastiknippel erkennbar. Was ist das? Die Plastikdinger erinnern mich an mein Fahrrad. Da hab ich solche Verschlusskappen auf den Ventilen meiner Reifen. Was will man mir mit Verschlusskappen eines Rades morgens um 8:32 Uhr sagen? Ich hatte eindeutig zu wenig Schlaf letzte Nacht und blick immer noch nicht durch.
Der jüngere der Herren grinst mich an: “Falls Sie in den nächsten drei Tagen nicht bezahlen, wird Ihr Kfz sichergestellt und verkauft, um die ausstehenden Beträge zu begleichen.“
Ich schaue ihn völlig entgeistert an und kann nicht fassen, was ich da höre.
Das sind Gerichtsvollzieher! Und diese schwarzen Plastiknippel sind die Verschlusskappen meiner Autoreifen! Warum hat der mir nicht meinen Außenspiegel gebracht, den hätte ich wenigstens noch sinnvoll nutzen können. Was soll ich mit den Kappen?
Der Grinsende klärt auf: „Wir haben an Ihrem Kfz Krallen befestigt, die erst wieder entfernt werden, wenn Sie die ausstehenden Beträge bezahlt haben.“
Durch eine dunkle Nebelwand des Entsetzens dringt langsam Klarheit in mein verschlafenes Hirn. Die haben sich an meinem AUTO vergriffen! Die haben MEIN Auto lahmgelegt! Die haben mir MEINEN DICKEN gestohlen!
Ich schnappe nach Luft und mir entweicht lediglich ein hilfloses „Warum?“ und gleichzeitig ist mir selbst die Antwort schon klar. Nicht umsonst stapeln sich die Bußgeldbescheide auf der Ablage hinter der Tür, an der ich mich krampfhaft festhalte, um nicht den letzten Halt zu verlieren.
Nun wird mir lang und breit erklärt. Ich verstehe durch diese Nebelwand des Grauens nur Worte wie „Bußgelder“ und  „-zig Hundert Euro bezahlen“ und „Krallen am Auto“ und „Auto weg“ und stehe kurz vor einem Kollaps. Mir fallen all die Dinge ein, die ich in den nächsten drei Tagen erledigen müsste – mit dem Auto. Ganz zu schweigen von dem Urlaub danach.
Mein Auto ist nicht nur mein Auto, mein Fortbewegungsmittel, mein Transportmittel. Mein Auto ist ein Wohnmobil! Mein Wagen ist… mit einer Nabelschnur mit mir verbunden!
In drei Wochen wollte ich mit dem Mobil in den Urlaub fahren. Heute wollte ich mit dem Wagen einem Freund helfen. Morgen wollte ich…
Ich steh kurz vor einer Panikattacke und versuche den beiden Herren meine Situation zu erklären. Seit dem Einzug in diese Wohnung hier hab ich Parkplatzprobleme: mit der Wohnung einen Parkplatz im Hof gemietet, Wagen passt nicht durch die Einfahrt, vor dem Haus nur Parkraumbewirtschaftung, keine Behörde fühlt sich zuständig für meinen Antrag auf Anwohnerparkausweis – seitdem Parktickets ohne Ende.
Gerade hab ich den Wagen aus der Werkstatt abgeholt - mit einer Rechnung weit über 2.000,- Euro - und jetzt das!
Und dann dämmert mir: die haben auf mich gewartet! Drei Wochen stand das Auto in der Werkstatt, zwei Tage steht es seitdem wieder auf dem Parkplatz vor dem Haus. Und da haben die scheinbar ihre Chance gesehen.
Die beiden Herren machen sich auf den Weg die Treppe runter. Die interessiert meine Situation nicht im Geringsten. Ich könnt vor Wut und Enttäuschung heulen und rufe diesen Ignoranten hinterher, was ich von ihren Stasimethoden halte.
Keine Frage, war nicht sehr produktiv, aber sehr befreiend J
Was nun? Das einzige Bare, was ich noch habe, nachdem ich die horrende Rechnung der Kfz-Werkstatt bezahlt hatte, ist meine bescheidene Reisekasse für den anstehenden Urlaub. Nun muss die dran glauben.
Und natürlich sitzt später ausgerechnet einer der beiden Herren, die ich vorher so beschimpft hatte, im Büro der Stadtkasse, um nach meiner kleinlauten, aber echt gemeinten Entschuldigung meine Zahlung entgegenzunehmen. Was kann der für seinen miesen Job.
Er zeigt einiges Verständnis für meine Situation. Das hilft mir nicht viel weiter. Meine Reisekasse ist weg!

Ich habe die Schnauze voll von dieser Stadt. Dieses Parkplatzproblem seit einem Jahr, die Ignoranz der verschiedenen Ämter und der Arbeitskollegen.
Das Problem mit meinen Kollegen hatte ich, Gott sei gedankt, bereits einen Monat vorher lösen können, indem ich einfach kündigte. Das war nicht mehr auszuhalten gewesen. Da prallten Ideologien, Meinungen, Weltanschauungen, Prinzipien aufeinander, die in meinen Augen mit der sozialen Arbeit nicht mehr zu vereinbaren waren.

Nun sitze ich in meiner Wohnung und beheule den Zustand meiner Mittellosigkeit.
Ich analysiere meine Situation: keinen bezahlten Job, eine Wohnung an der Backe, die ich nicht mag und die ich mir auch nicht mehr leisten kann, einen Wagen vor der Tür, der inzwischen wieder von den Krallen der Obrigkeit befreit war, und den ich sehr mag und den ich mir gerade noch leisten kann.
Was spricht dagegen, das was ich ablehne einfach aus meinem Leben zu streichen und das was ich wollte zu realisieren? Nichts! Solange mir das Gerede der Leute nichts ausmacht, finde ich keinen Grund, der dagegen spricht, die Wohnung endlich loszuwerden und in mein Mobil zu ziehen. Und das Gerede der Leute hat mir noch nie etwas ausgemacht!
Na gut, die Wasserpumpen im Wohnmobil müssten nachgesehen und eventuell erneuert werden. Im letzten Winter hat der starke Frost bestimmt einiges beschädigt.
Und der Wohnungsvermieter müsste sich darauf einlassen, mich aus dem Zwei-Jahres-Mietvertrag zu entlassen, den ich bisher ja nur ein Jahr abgewohnt habe. Und irgendwie muss zukünftig auch Geld in die Haushaltskasse kommen. Und die Wohnung muss geräumt und gestrichen werden.
Also nichts, was ein wirkliches Hindernis für mich wäre J

30. Juli 2011

Wie man einen Umzug kostenlos aber nervenaufreibend bewerkstelligen kann


Also mache ich mich ans Schreiben: Wohnungskündigung, grüne Versicherungskarte der Kfz-Versicherung anfordern, Krankenkasse zur Auslandsversicherung befragen etc. – wer weiß, wo es mich hinführt, wenn ich nicht mehr an einen Ort gebunden bin?!
Nun steh´ ich damit aber gleich vor der nächsten Frage: was soll ich von der Wohnungseinrichtung einlagern und wo?
Ich entscheide mich, ein Angebot von einem Freund anzunehmen, meine Winter- und Lagersachen (Dinge, die ich in einer späteren Wohnung wieder gebrauchen könnte und meine Wintersachen) in einem seiner leer stehenden Gebäude unterzustellen und mache mich ans Sortieren. Kartons habe ich mir in den umliegenden Supermärkten (Bananenkisten) zusammengesammelt.
Sachen zum Einlagern in Kartons und beschriften, Sachen für den Flohmarkt in Kartons und beschriften, Sachen fürs Wohnmobil in Mobil räumen, restliche Sachen in Müllsäcke zum Wegwerfen. Vieles von dem Aussortierten ist mir zu schade für den Abfall und so nehme ich mir vor, das auf einem Flohmarkt anzubieten. Meine Reisekasse ist schließlich leer.
Nach einer Woche packen stelle ich entsetzt fest: das Sortieren nimmt überhand. Die Wohnung ist zum nächsten ersten gekündigt. Der Vermieter hatte dem zwar nicht ausdrücklich zugestimmt, aber eine Maklerin vermittelt, die sich um die Vermietung kümmert. Zwei Wohnungsbesichtigungen habe ich in dem Chaos des Einpackens bereits hinter mir und einer der Interessenten sucht zum nächsten Monat eine Handwerkerwohnung wie meine.
Nun bleibt mir nur noch eine Woche Zeit, die Wohnung zu räumen, weil mein Urlaub bereits ansteht und bis dahin auch noch die Wände geweißt werden müssen. Übrigens: knallrote und orange Wände und eine Wand mit einem unvollendeten „Malerkunstwerk“.
Das Sortieren bringt mich nicht weiter. Ich staune, was sich so in einem Jahr wieder in einer Wohnung ansammeln kann.
Halte ich mir nicht ein Hintertürchen offen, wenn ich die restlichen Sachen, die nicht im Wohnmobil mitgenommen werden, einlagere? Einmal für eine eventuelle spätere Wohnung und auch für meine vermaledeite Sammelleidenschaft?
Zwischen all den Dingen sitzend, die mich im letzten Jahr begleitet haben, mag ich sie plötzlich nicht mehr. Ja, meine Instrumente, die wichtigsten Bücher und Papiere und meine Winterklamotten, die werde ich einlagern. Das ergibt noch eine erkleckliche Anzahl an Kartons, die wegzuschleppen sind. Lebensmittel, Sommerkleidung, Nähzeug etc. und das wichtigste Werkzeug werden ins Mobil geräumt.
Es bleiben etliche Kartons übrig, die ich bereits für den Flohmarkt gepackt habe, etliche, die ich einlagern wollte und zusätzlich noch Möbel und Kleinkram.
Was will ich denn noch damit?
Sollte ich wirklich einmal wieder eine Wohnung haben wollen, mag ich mich nicht mehr mit diesem Krempel der Vergangenheit umgeben.
Ich nehme also Abschied, rufe einige Entrümpelungsunternehmen an und frage nach, ob die das alles innerhalb der nächsten Tage entsorgen können.
Kaum eine Chance, fast alle wollen nicht ohne Aufgeld entsorgen. Eine Räumungs- und Antiquitätenfirma allerdings kommt, schaut sich die verwertbaren Dinge und die zu entsorgenden Sachen an und sagt zu. Die antiken Küchen-, Bücher- und Kleiderschränke, der große Globus und viel Kleinkram wie alte Fotoapparate, Sauerkrautsteinguttöpfe, Nähmaschine und eine Schlachtbank aus Urgroßmutters Zeiten, die mir als Wohnzimmertisch diente, scheinen dem Begutachter einiges wert zu sein. Prima!
Als ich meinen Freund benachrichtige, dass ich die nächsten Tage komme, um meine Kartons ins Lager zu bringen, will er die komplette Einrichtung nicht einfach einem Räumungsunternehmen überlassen. Sein Verein könnte alle Sachen gut gebrauchen.
Also disponiere ich um, sage dem Räumungsunternehmen ab und mein Bekannter will sich um Helfer kümmern, die die komplette restliche Wohnungseinrichtung in sein Lager schaffen.
Ich bin mit Sortieren, Wegwerfen und Einräumen beschäftigt. Zwischendurch nähe ich schnell noch die Vorhänge für´s Wohnmobil fertig, baue mir zwei Regale ein und kürze meine Mobilmatratze. Und stehe kurz vor einem Kollaps, weil ich jedes Mal, wenn mein Blick auf die Uhr fällt, Panikattacken bekomme. Das schaffe ich doch nie!
Nur noch wenige Tage und es ist sooo viel zu tun! Packen, packen, packen.
Nur noch drei Tage…  und ich sehe den Gerümpelberg kaum kleiner werden; dabei ist das Mobil schon fertig eingeräumt und es stehen mehr als 60 Kartons in der Wohnung und verstellen mir überall den Weg. Wenn ich nicht über die Kartons stolpere, fall ich über die Katze. Äh, da war doch noch etwas…? Ah ja, Katze hat noch gar keinen Impfausweis, soll aber mit auf Reisen gehen.
Im Net finde ich eine Tierärztin in der Nähe und sie versichert mir, dass es nicht mehr als 55,- € ausmachen würde, Katze einen Chip zu verpassen und alle notwendigen Impfungen vorzunehmen. Das finde ich äußerst günstig und so mache ich mich daran Katze zu suchen.
Miez, miez! Auf dem Weg in den Hinterhof kommt sie mir entgegen, willig lässt sie sich in den Transportbehälter stecken und mauzt gar nicht auf der Fahrt zur Ärztin. Ist eine gute Reisekatze.
Vor zwei Jahren habe ich sie schon einmal mitgenommen in den Harz. Sie hatte zwei Tage vorher sieben Junge bekommen und so brachte ich es nicht über´s Herz, sie mit ihren Kleinen daheim zu lassen. Sie wäre als Dorfkatze und Freigänger gewiss in der Lage gewesen, sie alleine zu versorgen, aber ich traute meinen damaligen dummen Nachbarn nicht über den Weg, die ihren Hund immer in meinen Schuppen ließen, in dem Katze ihr Babylager aufgeschlagen hatte.
So nahm ich alle acht mit. Das war lustig!
Bei ihrem ersten Ausflug nahm ich Katze noch an eine Leine mit kleinem Bauchgeschirr. Das störte sie aber extrem beim Herumstromern und so ließ ich sie frei laufen und richtete meinen Fahrrhythmus nach den Laufzeiten der Katze. Hat gut geklappt. Sie hielt sich immer in der Nähe auf und kam stets schnell zurück zu ihren Kleinen. Die entwickelten sich sehr gut während der Fahrt. Nur eines war jedoch von Anfang an sehr schwach und starb dann nach drei Tagen. Aber alle anderen sieben Katzen brachte ich heil wieder nach Hause.

Das Wartezimmer der Tierärztin ist Gott sei Dank noch leer. Nicht auszumalen, was Katze anstellt, wenn sie Hunde wittert.
Dank dem besagten Nachbarhund kann sie jene dieser Art überhaupt nicht mehr leiden. Kommt ihr einer zu nahe, springt sie fauchend und spuckend mit ausgefahrenen Krallen zwei Meter weit direkt auf seinen Kopf und… naja, ich konnte diesen rasanten Spielchen noch nie direkt folgen. Das schafft mein Auge einfach nicht. Ich sehe nach einem solchem Angriff stets nur den jaulenden Hund mit eingezogenem Schwanz flüchten.
Als sich einmal vier Waschbären vor der Hintertür an unseren
Komposteimer verirrten, sprang sie ohne Vorwarnung direkt in die Meute der erschreckten Bärchen und schlug sie alle laut fauchend in die Flucht. Ihr Fauchen war allerdings in dem Gejaule und kläglichen Schreien der Waschbären kaum auszumachen.

Und prompt tauchen zwei Hunde im Wartezimmer auf. Liebe, folgsame Hunde, die sich brav neben ihr Herrchen setzen. Nicht so meine Katze! Kaum wittert sie die Hunde, muss ich den Deckel der Transportbox zuhalten, damit sie ihn nicht aufdrückt und die Hunde massakriert. Dabei würde ihr das kaum einer zutrauen, so schmächtig und schmal wie sie ist.
Zum Glück werden wir aufgerufen und so kann sie sich wieder beruhigen. 
Bei der Tierärztin gibt Katze keinen Muks von sich, obwohl sie zwei Impfspritzen und eine besonders dicke für den Chip bekommt. Nur mir tritt der Schweiß auf die Stirn, als ich den Preis genannt bekomme: 97,- Euro! Ok, was soll ich machen? Das muss sein.
Nun hat Katze also einen eigenen Ausweis und ist froh, daheim wieder aus ihrem engen Gefängnis zu dürfen.
Nun steht noch neben dem Packen eine gründliche Innenreinigung im Wohnmobil an. Nächste Woche soll es einen Tag vor Reisebeginn zur Wohnmobilwerkstatt wegen der Pumpen; Wasser- und Toilettenpumpe. Da kann ich unmöglich mit einer Toilette hin, die die letzten Wochen keinen Lappen gesehen hat, auch wenn sie monatelang unbenutzt ist. Und die Tage nach dem Umzug muss ich für die Renovierung der Wohnung nutzen.
Wo reinigt man sein Mobil, wenn man im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses direkt an einer viel befahrenen Straße wohnt, an der absolutes Parkverbot besteht?
Wie schön, dass meine Schwester gerade verreist ist und ich Zugang zu ihrem Kleingarten in Berlin habe. Dort sind alle nötigen Anschlüsse: Strom, Frischwasser und Entsorgungstoilette. Klasse!
Neben Putzlappen und Reinigungsmittel schleppe ich den großen Staubsauger ins Wohnmobil und fahre in die Hauptstadt.
Eigentlich ist der Weg zum Garten lediglich ein Fußgängerweg mit anliegendem Radweg. Aber da ich dort schon einmal einen Tankwagen hab stehen sehen, fahre ich mit dem Mobil auf diesem Weg direkt vor die Gartentür. Bin gespannt, ob ich die 100 Meter Weg wieder heil rückwärts herauskomme. Neben dem Weg fließt ein Graben, da heißt es nachher Obacht geben.
Bei 35 Grad Celsius in der prallen Sonne ist die Reinigung eines Wohnmobils wirklich eine schweißtreibende Angelegenheit! Zudem regen sich natürlich einige Passanten auf, dass ich mitten auf dem Gehweg stehe mit dem „Dicken“.
Ja, ihr habt ja recht, aber auf dem Grünstreifen nebenan zu gehen ist ja nun auch kein großer Umweg. Habe doch nun mal keine andere Möglichkeit. Brav entschuldige ich mich bei den Leuten, sie ziehen murrend weiter, lassen mich aber unbehelligt.
So sauge, schrubbe und wische ich drei Stunden im und am Mobil.
Bis ein Passant auftaucht, der sich nicht so leicht abwimmeln lässt: ob ich wohl wüsste, dass dies hier ein Fußgängerweg sei? Ja, steht ja vorne auf dem Schild. Ob ich wohl wüsste, dass ein Kfz laut Straßenverkehrsordnung nichts auf einem Fußweg zu suchen hätte? Ja, das ist mir bekannt. Ob ich wohl sofort von dem Fußweg runterfahren würde? Jahaa, ich bin gleich weg, packe noch schnell ein paar Sachen ein und würde dann weg sein. Ob mir wohl bewusst wäre, dass er, wenn er nun nicht in Zivil unterwegs wäre, sondern in Uniform, gaaanz anders handeln würde? Ja (Bulle), das glaube ich gern, bin ja gleich weg.
Boah, Polizisten in Zivil sind sooo… blöd drauf, wenn sie denn ihren Mund aufmachen. Und sie werden immer einen Grund finden, ihren Mund aufzumachen, um allen zu verkünden, dass sie ja eigentlich Polizist und nicht Zivilist sind. Wichtig, wichtig!
Gut, dass ich nun schnell fertig werde und wieder fahren kann. Geht wunderbar den Weg rückwärts wieder raus, lande nicht im Nordgraben und auch als ich gar nichts sehen kann an der Straße und mich langsam rückwärts hinaustaste, wird angehalten, um mich rückwärts auf die Straße zu lassen. Klasse, so kenne ich mein Berlin. Danke! Vielleicht hab ich ja auch einen Bonus bei den Berlinern, weil ich ja mit Brandenburger Kennzeichen fahre. Die Berliner schimpfen zwar schnell mal und regen sich über zu langsame Fahrer auf, aber Auswärtigen wird so manche kleine Verkehrssünde dann noch verziehen.
Vielleicht flößt mein „Dicker“ ja auch soviel Respekt ein, dass PKWs mir deshalb lieber sicherheitshalber die Vorfahrt lassen. Sollte in einem solchen Fall allerdings ein BVG-Doppeldecker anrollen, hätte ich wohl Pech gehabt. Die halten nie und ums Verrecken nicht an! BVG-Busfahrer betrachten die Straße als ihr Eigentum, weichen nie aus und drängeln sich noch an der schmalsten Straße neben einem Mobil durch. Die müssen bestimmt einen Kamikazefahrkurs vorher absolvieren, bevor sie auf die Berliner losgelassen werden.

Noch einen Tag! Morgen soll die Wohnung geräumt werden und ich stehe mitten in dem Chaos und weiß nicht, wie ich das schaffen soll.
Überall liegen Kleinigkeiten herum, die ich mir beiseite gelegt habe zum Sortieren. Diese Schrauben nehme ich mit ins Mobil, diese Unterlagen müssen ins Lager, diese Lampen, Spiegel und Regale will der Verein… Ich dreh gleich durch!
Ach, da ist ja das Tagebuch meiner Tochter! Nein, meines, also ihres, von mir geschrieben, von ihrer Geburt bis zum 3. Lebensjahr. Ach, ist das süüüß! Die ersten Fotos; ihr rosa Plastikarmband mit ihrem Namen, das sie in der Klinik um ihr kleines Handgelenk bekam, damit man sie nicht verwechselt; ihre ersten Schühchen; ihr erster Zahn, ihr erster Armbruch. Ach ja, das waren schöne Zeiten mit ihr. Sie war so ein tolles neugieriges kleines Mädchen. Nur ihr Vater, der war nicht so toll. Nicht mehr dran denken. Zugeklappt und weiter eingepackt!
So, nun komme ich kaum noch durch die Kartonstapel und… habe keine Kartons mehr! Aber noch sooo Vieles einzupacken. Mist!
Fahre schnell noch mal die Supermärkte in der Umgebung ab und sammele wirklich noch zwölf Kartons ein. Prima!
Eine Freundin ruft an und fragt, ob sie nicht die Verpflegung für die Umzugshelfer morgen übernehmen sollte. Ich könnt´ sie knutschen. Für´s Kochen der Suppe hätt´ ich wahrscheinlich morgen früh gegen 4 Uhr Zeit gefunden. Na klar! So bleibt mir noch etwas mehr Zeit die Kartonstapel anwachsen zu lassen.
Und wenn ich nun schon Telefonpause mache, fällt mir doch gleich ein, dass ich mir noch die Haare schneiden wollte. Würde schon komisch wirken, wenn ich das erst morgen mitten zwischen den schleppenden Umzugshelfern machen würde.
Jedes Frühjahr habe ich meine Haare auf 1 cm gestutzt. Sehr zum Staunen mancher Mitmenschen. Manche halten mich nun für rechtsradikal (bin ich mitnichten – im Gegenteil!), andere schauen mich sehr mitleidig an, scheinbar nehmen sie an, dass ich eine Chemo hinter mir habe. Andere, wie meine Mutter, betrachten meinen Kurzhaarschnitt sehr verächtlich. Nach ihrer Meinung frage ich lieber nicht, ihr Blick genügt mir. Umso mehr grinse ich, wenn sie versucht, meinen Igel geflissentlich zu übersehen.
Seit Monaten verfluche ich meine Haare. Nur ca. 8 cm lang und glatt wie´n Strich kann man nichts mit ihnen anfangen, sehen einfach scheiße aus. Und bei der Länge muss ich sie nun auch jeden Morgen waschen und einigermaßen in Form bringen. Nur weil meine Familie mich mahnt, sie endlich lang wachsen zu lassen. Nee, nun ist Sommer und ich habe keine Lust mehr auf den Quatsch.
Gut, dass ich das Bad noch nicht ausgeräumt habe.
Mein Rasierer liegt bereit, mit der Schere schneide ich die langen Zotteln vor, dann mit dem Rasierer hinterher, 5 mm. Jetzt fühl ich mich wieder wohl. Endlich keine Mühe mehr mit den Haaren. Außer der Entsorgung des Haarbergs vom Boden. Noch schnell unter die Dusche und, schon mal im Bad, räume ich es gleich aus.
Boah, was sich da so alles ansammelt. Die Medikamente, die ich zwar verschrieben bekam, aber nie eingenommen hab, wandern als erstes in den Müll. Und wozu stehen hier drei Flaschen Badeöl, vier  Dosen Creme, vier Tuben Zahncreme, ganz zu schweigen von den zahlreichen Parfümflakons? Nee, ich nehme mir von jedem eines fürs Mobil und schiebe den kompletten Rest in die Mülltüte. Und die fünf Bürsten und Kämme brauche ich ja nun auch nicht mehr.
Das ist doch eine sehr befreiende Aktion. Das sollte man alle drei Monate wiederholen. Bis man begriffen hat, dass man nicht alles doppelt kaufen muss und dadurch immens Geld spart. Durch die Enge im Mobil wird das automatisch folgen, prima.
Los, weiter in der Küche. Oh Göttin, wann habe ich das das letzte Mal benutzt? Was ist das? Ach, du meine Güte: ein Fleischthermometer! Habe ich noch nie benutzt. Und das? So ein Haltedings für einen Zuckerhut für die Sylvesterfeuerzangenbowle. Ja, klar, die habe ich das letzte Mal vor sechs Jahren gemacht. Weg damit! Zwölf Moccatassen inklusive Untertassen benötige ich auch nicht wirklich. Genauso die dreißig  Teller, die neben denen stehen, die ich jeden Tag benutze. Weg damit! Ich suche mir nur noch heraus, was ich mit ins Mobil nehme und den gesamten Rest packe ich für den Verein ein.
Radikal werfe ich alle Kleinigkeiten, außer den wichtigsten Unterlagen, in Müllsäcke, um sie später zu entsorgen; packe noch die letzten Sachen fürs Mobil in den großen Wäschekorb, klaube die letzten Kleidungsstücke zusammen und sortiere bis weit nach Mitternacht alles andere in Kartons für den Verein. Bin fix und fertig!

Am nächsten Morgen steh ich bereits wieder zwischen den Kartons und Möbeln und schraube die ersten Möbel auseinander. Am frühen Nachmittag will der Freund mit seinen Umzugshelfern kommen. Das erscheint mir angesichts der vollen Drei-Zimmer-Wohnung zwar etwas spät, aber gut, zur Not werden wir eben bis spät abends schleppen müssen.
Gegen 14 Uhr ruft er allerdings an und verschiebt die Aktion auf den späten Nachmittag. Als er dann gegen 15.30 Uhr mit drei jungen Männern mit sehr langen Gesichtern und ganz offensichtlich sehr missmutig eintrifft, schwant mir nichts Gutes.
Ich frage ihn, ob denn wohl noch Helfer nachkämen und als er das verneint und erklärt, dass diese drei eigentlich Gäste auf seinem Grundstück seien, die dort künstlerisch tätig wären, sich aber nach seinem Bitten bereit erklärt haben „einige Sachen“ für seinen Verein mitzutragen, kann ich mir den Ärger der drei Jungs sehr gut erklären. Stehen hier doch nicht nur „einige Sachen“ für den Umzug bereit, sondern ein kompletter Haushalt!
Was soll ich tun? Die nächsten drei Tage muß ich renovieren, in drei Tagen will ich verreisen, danach im Mobil wohnen, ich habe keine Zeit! Er aber versichert mir, dass das schon klappen würde, ich solle mal ganz relaxed sein.
Also schleppe ich, was das Zeug hält. Die Freundin mit der Suppe für alle kommt und hilft. Als dem Freund gewahr wird, dass dieser Umzug heute nicht zu schaffen ist, beordert er alle zum Möbelschleppen, damit wir das Schwerste zuerst und auf jeden Fall mit Hilfe der jungen Männer wegschaffen können. In mein Mobil stapel ich Kisten bis unter´s Dach, in den gemieteten Hänger kommen die Möbel.
Nach dem Ausladen auf seinem Grundstück machen sich die jungen Männer sofort von dannen, um wenigstens noch die letzten Sonnenstrahlen für ihre Kunstaktion nutzen zu können.
Inzwischen mache ich die Suppe im Wohnmobil warm und sitze dann mit meiner Freundin alleine vor dem großen Topf, weil die jungen Männer das Weite gesucht haben und der Freund plötzlich auch nicht mehr auffindbar ist.
Ich bin fix und fertig! Es wird in einer Stunde dunkel sein, es ist spät, ich bin müde und ich will, verdammt noch mal, endlich fertig werden!
Nachdem wir unsere Suppe gegessen haben, trudelt auch der Freund wieder ein. Ja, er könne heute nicht mehr mitkommen, um tragen zu helfen, er müsse ja nun als Ansprechpartner für die Künstler auf seinem Grundstück bleiben, aber einen Teller Suppe würde er jetzt gerne noch mit uns essen.
Entweder gucke ich noch nicht blöd genug oder er übergeht systematisch die Befindlichkeiten anderer, aber er setzt noch einen drauf, indem er klarstellt, dass morgen für einen Umzug auch ganz schlecht sei, da hätte er ebenfalls Publikum auf dem Grundstück, ob ich das wohl mit meiner Freundin morgen allein hinkriegen würde. Ich schaue sprachlos meine Freundin an, packe wortlos mein Geschirr weg, während er seine Suppe löffelt, und verabschiede mich dann gemeinsam mit der Freundin.
Ich kann es nicht fassen! Der lässt mich sitzen! Der lässt mich allen Ernstes mit dem Umzug hängen! Ich muß in drei Tagen aus der Wohnung sein! Dieser Idiot!
Meine Freundin tröstet mich, sie würde kommen und mir helfen, soviel sie kann. Das ist überaus lieb von ihr, macht mich aber, nachdem ich sie nach Hause gebracht habe, noch wütender. Der lässt ja damit nicht nur mich hängen, sondern nimmt auch noch meine Freundin an seiner Stelle in die Pflicht! Hat der sie eigentlich noch alle?! Ich könnte schreien vor Wut! Der Antiquitätenhändler hätte mir die komplette Wohnung bis zum Nachmittag leer geräumt. Und nun sehe ich keine Möglichkeit mehr, die Wohnung pünktlich fertig renoviert übergeben zu können. Bin fix und fertig und in der Nacht mache ich kaum ein Auge zu!
Am nächsten Vormittag bin ich mit meiner Freundin bereits wieder am Schleppen. Nachmittags erreichen wir voll beladen das Vereinsgrundstück… und kochen uns erst einmal ein Mittagessen im Wagen, weil der Herr „Freund“ wieder einmal zu beschäftigt ist, um uns ausladen zu helfen.
Letzte Nacht habe ich mich damit abfinden müssen, die Wohnung nicht nach Plan fertig renovieren zu können. OK, dann werde ich mir aber den Umzug nicht allein an die Backe kleben lassen, dann hat der “Herr“ gefälligst mitzuhelfen. Also schmausen wir in aller Ruhe unser Mahl, und während meiner Verdauungszigarette taucht der „Freund“ dann endlich auf. Ich kann gerade noch meine sonst so ausgeprägte Gastfreundschaft zurückhalten und lade ihn diesmal nicht zum Essen ein, sondern fordere ihn beim Wegräumen des Geschirrs auf, uns nun beim Ausladen zu helfen. Auch danach stelle ich ihn vor vollendete Tatsachen, indem ich ihm erläutere, dass noch etliche schwere Umzugssachen auf seine Mithilfe warten, die ich mit meiner Freundin nicht alleine schleppen kann. Das scheint ihm nicht zu schmecken, ein Essen wäre ihm wohl lieber gewesen. Aber nicht mit mir!
Abends schließt er endlich sein Grundstück ab und wir machen uns gemeinsam auf den Weg, den Rest aus der Wohnung zu holen.
Während meine Freundin und ich schleppen, fummelt der „Freund“ an dem einen Regal, schraubt an dem anderen, nimmt dort eine Halterung von der Wand und hier einen Haken. Und traut sich allen Ernstes, während meine Freundin mal eine Verschnaufpause macht, mich beiseite zu nehmen, um mir zuzuraunen, wie fleißig ich doch sei und wie überaus bedächtig die Tätigkeit meiner Freundin vorangehen würde. Würde ich ihn nicht einfach stehen lassen, um mir den nächsten Karton zu schnappen, würde ich ihm eine runterhauen!
Nachts um 22 Uhr nehme ich mir die Geschirrspülmaschine vor, drehe die Wasseranschlüsse ab, klebe sie auf der Maschine fest und er steht neben mir und labert mich voll. Es reicht mir und ich brabbel vor lauter Frust vor mich hin, dass ich mir was Besseres vorstellen kann, als nachts in meiner Küche nach zwei Tagen immer noch mit dem Umzug beschäftigt zu sein.
Da keift er mich plötzlich an, dass ich mal relaxed sein soll, nur unter dieser Bedingung hätte er diesen Umzug mit mir vereinbart. Relaxed!
Aber nun platzt mir der Kragen: ich werd´ ihm was von wegen relaxed! Alle Welt soll nach seiner Pfeife tanzen und dabei auch noch relaxed bleiben!
Nach einem heftigen Wortwechsel trage ich mit ihm missmutig den Geschirrspüler die Treppe runter und bis Mitternacht haben wir fast die gesamte Wohnung leer.
Als er wieder mit seiner relaxed-Tour anfängt, setze ich ihn kurzerhand vor die Tür. Es reicht! Mit der Mahnung mir in einer halben Stunde Zugang zu seinem Grundstück zu ermöglichen, um den vollen Hänger dort abstellen zu können, ansonsten würde ich sein Tor einfahren, lasse ich ihn zum nächsten Taxistand gehen. Und wirklich: eine halbe Stunde später steht er am offenen Tor seines Grundstücks, um den Hänger in Empfang zu nehmen. Und am nächsten Tag, als ich wiederkomme, um den Hänger zum Verleiher zurückzubringen, ist der bereits leer geräumt. Na, geht doch!

29. Juli 2011

Wie man sich auf den Urlaub in Ungarn freuen kann


Einen Tag vor dem Urlaub fahre ich noch in die Wohnmobilwerkstatt in Berlin, um die Wasserpumpen prüfen zu lassen. Katze bleibt in der alten Wohnung, damit sie in der Werkstatt nicht wegläuft.
Bei solchen Gelegenheiten wird mir immer wieder schmerzlich bewusst, wie wenig ich von Elektrik und Motoren im Allgemeinen verstehe. Aber so ist das „im Westen“ in den 80ern gewesen: Mächen hatten in Männerberufen nüscht zu suchen! Tischlerin oder Kfz-Mechanikerin war nicht drin für mich. Dafür wollte mir die Arbeitvermittlerin ´ne Ausbildung zur Fleischerin vermitteln. Nee, danke!
Aber ein kleiner Trost fährt mit: ein Gutschein der Werkstatt vom letzten Geburtstag, den ich nun einlösen kann. Ich fahre bereits einen Abend vorher los und stelle mich vor die Werkstatt zum Schlafen, um am nächsten Morgen pünktlich zum Termin um 8 Uhr da zu sein. En Mann zum Anbeißen empfängt mich fröhlich und stellt eine Liste der zu erledigenden Dinge zusammen. Am Nachmittag soll ich wiederkommen. Der Typ verwirrt mich und ich bin mir nicht sicher, ob ich alle wichtigen Dinge wirklich nenne. Das ist in letzter Zeit so ungewöhnlich mal netten, lachenden, nicht nur aus Höflichkeit lächelnden Menschen zu begegnen. Er flößt mir Vertrauen ein, der wird das schon richtig einschätzen und sich um alle relevanten Dinge kümmern, da bin ich mir sicher. Wahrscheinlich hält der mich für völlig bescheuert, wie ich da mit großen Augen etwas fahrig vor ihm rumtanze und alles aufzähle, was mir einfällt. Egal - ich freue mich über die nette Begegnung und laufe rüber zur Wohnung meiner Tochter und verbringe mit ihr einen Tag mit Einkaufen und Kaffeeklatsch.
Nachmittags sehe ich den Dicken schon im Hof der Werkstatt stehen. Der Typ begrüßt mich grinsend: „Ah, die Besitzerin der Villa Kunterbunt!“ Sein Kollege lugt aus der Werkstatt und lacht. Hier sind scheinbar alle so gut drauf. Der Nette zeigt mir alles, was er repariert hat, Frischwasserpumpe ausgetauscht, Toilettenwasserpumpe wieder instand gesetzt und noch einige Kleinigkeiten, die ich ihm gar nicht genannt hatte. Zudem hat er meine geteilte Mobiltür zusammen verschraubt, weil die Halterung, die beide Teile zusammenhält, beim Öffnen der kompletten Tür schon nach wenigen Wochen den Geist aufgegeben hatte und ich immer Ober- und Untertür kompliziert gleichzeitig öffnen und schließen musste. Klasse der Mann, der denkt mit. Geschieht einem ja eher selten. Hatte ich ihn doch richtig eingeschätzt. Ich drücke ihm einen Zehner in die Hand als ich mich bei ihm für seine gute Arbeit bedanke und er schickt mich in den Laden, um die Werkstattrechnung zu begleichen, die ziemlich moderat ausfällt.
Da suche ich mir gleich noch die wichtigsten Sachen für unterwegs, die noch fehlen, im Laden aus. Nur ein Gepäcknetz bekomme ich leider nicht, schade. Das hätte ich gut unter der Wagendecke befestigen können, um mehr Stauraum zu schaffen. Aber kein Wunder: es ist Hochsaison, der Laden ist rappelvoll. War ja ein Glück, dass ich noch so kurzfristig einen Termin in der Werkstatt bekommen habe. Die trotz der stressigen Situation sehr nette Verkäuferin erzählt mir, dass sie dafür ihren Urlaub im Winter in Indien verbringen wird. Ich schaue wohl etwas neidisch, sie verabschiedet sich grinsend.
Auch weißes Sika ist nicht mehr zu haben; muß ich halt das letzte Schwarze nehmen. Sieht zwar nicht sehr schick aus, so schwarze Markierungen auf dem hellen Mobil herumzufahren, aber mich stören sie nicht. Im Gegenteil, je weniger neu und gepflegt das Mobil aussieht, desto weniger Einbruchgefahr besteht auch unterwegs. Deswegen hat es auch noch nie eine Wäsche von mir bekommen. Nur der Werkstattfritze bei Kozchessa hat es vor der TÜV-Besichtigung einmal abgespritzt. Ein sauberes Auto scheint hier in Deutschland immer noch ein Beweis eines sicheren Autos darzustellen. Wie bescheuert! Als wenn die Sauberkeit Sicherheit gewährleisten würde?!
Da fällt mir auch wieder ein, dass ich bei dieser TÜV-Werkstatt ja noch einmal vorbeifahren müsste, um die Rechnung zu besprechen. Ok, nach dem Urlaub. Ich rufe also dort an und lasse dem Chef ausrichten, dass ich nach dem Urlaub vorbeikäme, um die Rechnung und die seit dem Werkstattaufenthalt aufgetretenen Mängel mit ihm zu besprechen.
Abends fahre ich zur alten Wohnung und schlafe dort auf dem Parkplatz, damit ich am nächsten Morgen noch einmal eine warme Dusche genießen und Katze wieder mitnehmen kann.

28. Juli 2011

Wie man seinen ersten Urlaubstag in Ungarn verbringen kann

Am nächsten Tag gehe ich den Großeinkauf für den Urlaub machen (Milch, Butter, Kaffee und all die Sachen, die schwer oder gar nicht oder total überteuert in Ungarn zu bekommen sind) und stehe dann pünktlich bei Mutter vor der Tür, die bereits alle ihre Gepäckstücke vor die Tür gestellt hat. Nun geht es darum, alles so zu verstauen, damit das Gepäck von Tochter und Enkel auch noch Platz findet. Da Mutter in Ungarn ein Haus für drei Wochen gemietet hat, müssen wir nicht im Mobil schlafen, sondern nutzen es nur als Transportmittel. Das erleichtert die Sache ungemein. Das Gepäck wird kurzerhand im Alkoven verstaut, so dass so wenig wie möglich Belastung auf der hinteren Achse liegt. Der Depp aus der TÜV-Werkstatt hat zwar bemerkt, dass die Luftfedern hinüber sind, die vor dem Besuch der Werkstatt in Ordnung waren, aber sie auch nicht repariert. Bei der horrenden Rechnungssumme, die ich am Ende bezahlt habe, bin ich jetzt schon gespannt auf das klärende Gespräch!
Eine halbe Stunde später holen wir den Rest der Besatzung ab und es kann losgehen.
Die erste lange Tour mit meinem Dicken! Ich freue mich auf das Unterwegssein.
Meine Mutter fungiert als Navigator. Sie ist diese Tour seit Jahren mit meinem Vater jeden Sommer gefahren, um sechs Wochen in einem Kurbad in Ungarn zu verbringen. Nun will sie nach dem Tod meines Vaters nicht mehr alleine dorthin fahren, aber sich trotzdem noch einmal ein Besuch in diesem Bad gönnen und so lud sie uns kurzerhand ein mitzukommen. Sie übernimmt die Unterbringungs- und Badkosten, ich das Benzin.
Wir fahren abends los, um möglichst allen Staus unterwegs zu entgehen. So sehen wir zwar nicht sehr viel von der Landschaft, aber Muttern will nachts unterwegs sein, um möglichst kein Risiko einzugehen, Das kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn tagsüber sehe ich doch am besten?! Aber sie meint wohl weniger Staus, also weniger Verkehr.
Naja, wenn die Kinder müde werden, sollen sie sich eigentlich schlafen legen können. Das ist im Wohnmobil ja nun, wo der Alkoven voll bepackt ist, nur noch durch umständliches Umbauen der Sitzecke möglich, da sie hinten auf dem Doppelbett nicht während der Fahrt schlafen sollen. Das ist nämlich mir wiederum nachts zu gefährlich, weil die LKWs immer sehr dicht auffahren, bevor sie unser langsames Vehikel überholen. Und nachts kann man sich nun mal eher bezüglich der Entfernung zum Vordermann verschätzen als tagsüber. Nun gut, dann also ab in die Nacht.
Kaum haben wir die ersten vier Kilometer der Stadtautobahn in Berlin hinter uns, rufen die Kinder auch schon nach der Provianttasche. Das hätte ich mir ja denken können. Das ist altes Ritual in unserer Familie: kaum sind wir zwei Kilometer unterwegs, schreit die Brut nach Futter! Egal, ob sie gerade vorher etwas gegessen haben oder nicht. Eine längere Autofahrt verursacht bei jedem im Clan sofort ein Hungerödem! Es überrascht mich wenig, dass Muttern wieder einmal Proviant für zehne mit hat. Meine Tasche ist auch für sechse gepackt, also werden wir unterwegs nicht verhungern. Sie packen aus, futtern und vergnügen sich unterwegs mit Spielchen, bis sie müde werden.
Unterwegs! Ich bin unterwegs!
Wir fahren auf der A13 Richtung Cottbus bis Lübbenau, dann auf die E55 über Dresden bis zur tschechischen Grenze Zinnwald-Georgenfeld – Cinovec.
Von der Landschaft bekomme ich zwar gar nichts mit während der Nacht, das macht aber nichts. Deutschland ist schön, aber für mich sind die anderen Länder interessanter, die ich noch gar nicht kenne. Einmal fahren wir nachts von der E55 runter und halten auf einem Feldweg, um die Betten für die Kinder zwischen Wasserkanistern, Töpfen, Provianttaschen, Milchsteg und Katze zu bauen. Mehr oder weniger bequem können sie etwas schlafen.
Frühstück gibt es in Tschechien auf einer Raststätte. Beim Tanken hab ich mich glatt übers Ohr hauen lassen: n halben Tank für 65,-€! So teuer habe ich noch nie getankt. Ich wunderte mich zwar über das große Palaver, was einige Männer an der Kasse mit dem Kassierer veranstalteten, da ich aber kein Wort verstand, dachte ich, die unterhalten sich halt immer so laut. Das bin ich von den Türken in Berlin gewohnt. Die meisten Südländer sind halt etwas „engagierter“ beim Reden. Also stakste ich zur Kasse, sagte meine Säulennummer an, der Kassierer rechnete auf dem Taschenrechner um in Euro und ich bezahlte brav. Erst beim Frühstück auf dem Rastplatz dann fällt mir der horrende Preis auf. Ich war wohl in der Fremde, in der ich kein Wort verstehe und mich erst mit der Situation vertraut machen muss, zu aufgeregt, um einen Preis auszuhandeln. Denn das haben scheinbar die anderen Typen an der Kasse neben mir getan. Nun gut, Lehrgeld gezahlt, das passiert mir nicht wieder.
Seit Grenzüberschritt in Tschechien klebt nun eine erste Vignette an meiner Windschutzscheibe.
Tschechiens Landschaft finde ich nicht sehr anders als die deutsche. Eben weniger Landwirtschaft als bei uns. Wir fahren die E55 weiter über Prag, wechseln auf die E65 über Brno und Bratislava und sind ziemlich schnell durch, um an der Grenze zur Slowakei die nächste Plakette aufzukleben.
Österreich wollen wir meiden, weil Mutter Tunnel nicht mag und uns das teure Pflaster in Österreich noch aus vergangenen Kindertagen bekannt ist.
Dem Dicken ist es der Entdeckung der Langsamkeit wert, uns an den tschechischen Bergen alt aussehen zu lassen. Von weitem sehen diese Erhebungen gar nicht so hoch aus, die Autobahn schmiegt sich als graues Band sachte in die hügelige Landschaft. Mein Dicker is einfach mal langsam!
Höchstgeschwindigkeit 80 km/h… da kann man sich vorstellen, wie der bei jeder Erhebung oben ankommt. Teilweise wäre Laufen wohl schneller gewesen. Das beinhalten dann auch die endlosen Witze, die wir zwischen all dem Gelächter beim Hinaufkriechen mit 10 – 20 km/h machen: „Na, wer steigt aus und läuft mit dem Gepäck den Berg rauf, um oben auf uns zu warten? Dann ist der Wagen wenigstens leichter!“ Wir bepinkeln uns vor Lachen.
Ob die Truckfahrer das ebenso witzig finden möchte ich bezweifeln, aber da die Straßen dreispurig sind, haben sie zumindest keine Probleme, uns zu überholen.
Am Grenzübergang zu Ungarn (bei Rajka) können wir keine Stelle ausfindig machen, an der wir eine Vignette kaufen können, so fahren wir erst mal ohne weiter. Wahrscheinlich hätte Mutter auch einfach eine direkt beim Zoll an der Grenze kaufen können. Egal, wir fahren eh die B1 über Györ, die B8 über Vasvar, nach Zalaegerszeg über Bak, Pacsa nach Zalakaros über die Landstraßen weiter. Gegen 16 Uhr kommen wir in Zalakaros an. Das Städtchen ist… na halt ein Städtchen. Alles Ein- bis Zweifamilienhäuser, zwei Hotels, ein paar Restaurants, Läden und das große Bad, um das sich hier alles dreht. Die Häuser um das Bad werden alle als Ferienhäuser vermietet, die Eigentümer wohnen in den benachbarten Dörfern oder in den weiter vom Bad entfernteren Häusern in Zalakaros.
Mutter erklärt uns jede Straße, jedes Haus, das sie noch von ihren vorherigen Besuchen kennt und führt uns ziemlich sicher zum Ferienhaus in einer Straße direkt dem Bad gegenüber. Das ist praktisch, muß man nicht mit den Badesachen so lange hinlatschen.
Die Vermieterin ist bereits im Haus Maria und begrüßt uns, obwohl wir ca. 2 Stunden vor der vereinbarten Zeit ankommen, um uns das Haus zu zeigen. Ok, es ist kein einzeln stehendes Haus, wie auf der Internetseite angegeben, sondern eine kleine Doppelhaushälfte, aber wir schauen erst mal alles an. Die Besitzerin verabschiedet sich sehr schnell noch während der Besichtigung, meint, halb deutsch, halb ungarisch, sie käme in einer Woche wieder, um nach uns zu sehen und läßt uns ihre Telefonnummer im Nachbarort da.
Ich überlasse den anderen erst einmal die Innenbesichtigung und suche selbst nach einer Parkmöglichkeit für den Dicken. Es ist keine da! Die Grundstücke hier sind alle nur ca. 500 bis 800 qm groß und haben nur einen kleinen Stellplatz für einen PKW auf dem Hof vor den Häusern. Unser Haus ist so ziemlich das Kleinste im Ort, auf dem Stellplatz vor dem Haus findet lediglich ein Kleinwagen bequem Platz, ein Kombi würde bereits Schwierigkeiten mit dem Tor bekommen. So parke ich den Dicken erst mal vor dem Tor auf der schmalen Straße. Er paßt genau vor die Breite des Grundstücks ohne die benachbarten Grundstücke zuzustellen und läßt auch die andere Straßenseite frei. Schmal wie ´n Handtuch die Grundstücke hier.


 Zudem ist fraglich, ob ich überhaupt auf´s Grundstück käme, selbst wenn ein großer Hof vorhanden gewesen wäre. Denn alle Straßen haben hier Gräben vor den Häusern mit kleinen Übergängen zu den jeweiligen Auffahrten. Bei der Enge der Straße würde ich niemals in einem so engen Winkel auf ein Grundstück fahren können ohne mit dem Dicken im Graben zu landen.
Ich lade den Wagen aus, bringe die Gepäckstücke ins Haus und schaue in lange Gesichter. Mutter und Tochter haben inzwischen das Haus besichtigt und legen los: das ist kein Vier-Personen-Haus, sondern ein Zwei-Personen-Haus, da nur ein Schlafzimmer oben und eine ausziehbare Couch im Durchgangs-Esszimmer unten vorhanden sind, die Kaffeemaschine ist für vier kleine Tassen angelegt, das Haus ist total dreckig, dunkle Haare verteilen sich im Bad, die Küchenschubladen und deren Inhalt starren vor Schmutz, die Toiletten wagt man gar nicht anzuschauen und sowieso is echt scheiße hier.
Ok, beratschlagen, was machen wir? Bleiben, selber putzen, ich nächtige im Wagen vor der Tür und die Vermieterin gibt uns einen Teil unseres Geldes wieder? Oder nach einer anderen Bleibe suchen! Der Vorteil des Hauses liegt klar auf der Hand: es ist in der unmittelbaren Nähe des Bades, es ist bereits bezahlt und wir bekommen vielleicht etwas von dem Geld wieder, wenn wir der Vermieterin auf die Füße treten. Ob wir so schnell in der Saison ein anderes adäquates bekommen ist fraglich, wenn dann wohl viel weiter entfernt. Ok, wir bleiben. Ich putze Bad und Gästetoilette durch, die anderen packen ihre Sachen aus. Mutter wird auf der Couch unten und die Kinder oben im Schlafzimmer schlafen.
Der Dicke bekommt seinen Stromanschluß, Verlängerungskabel hab ich immer dabei, und dann verbringen wir den Abend auf der großen Terrasse, das einzig Sinnvolle an diesem Haus, allerdings auch der einzige Platz, der zum Aufenthalt von mehr als zwei Menschen bleibt, bis die Mücken und die Müdigkeit uns übermannen. Ich verziehe mich in meinen Wagen.
Die anderen sind natürlich bereits wach als ich zum Frühstück auf der Terrasse erscheine. Muttern war sogar schon beim Bäcker und hat frische Brötchen besorgt, klasse. Die weißen Dinger sehen zwar lecker aus, stellen sich aber als trocken, spröde und krümelig heraus. Gibt halt nirgendwo so gutes Brot wie in Deutschland. Nun gut, macht nichts, die Sonne lacht, es sind sommerliche Temperaturen, das Bad erwartet uns. Und Mutter kann es gar nicht schnell genug gehen, das wir da endlich hinkommen. Ok, Badesachen eingepackt und losgestiefelt. Das sieht bestimmt lustig aus, wie wir vollgepackt mit Liegestuhl, Klappliege, Sonnenschirm, Rucksäcken, Decken, Schwimmring und Kühltasche die Straße runterziehen. Aber Mutter meinte, das muß alles mit, das braucht man da. Ich krieg schon fast ´n Anfall, wenn ich daran denke, dieses Zeug jeden Tag hin- und herzuschleppen. Ich brauch ´n Badeanzug und ´n Handttuch, was soll ich mit dem Kram? Sie beruhigt mich: es gibt so etwas wie Dauerkabinen im Bad, die man für die Dauer des Urlaubes mieten kann. Ok, wir werden sehen. Der Buggy vom Enkel muß solang als Kutsche für unseren Kram herhalten. Das Enkel protestiert zwar, weil es nun laufen muß, lässt sich aber auch gerne von Mama tragen. Ich schiebe die Kutsche und versuche mit Mutters Tempo Schritt zu halten. Sie rennt! Sie rennt durch ihr ganzes Leben. Ich kenne sie nur rennend, egal wohin es geht. Ein Besuch im Museum wäre mit ihr nur möglich, wenn man darauf verzichtet sich die Exponate anzuschauen und Fotos zu machen. Frei nach dem bekannten Film „Lola rennt“ heißt ihr Lebensfilm „Mutter rennt“. Wir rennen also die Straße hinunter.
Am Ende kommen wir über einen kleinen Marktplatz, auf dem einige Holzstände stehen, von denen nur vier besetzt sind. Dahinter befindet sich ein langgezogenes flaches Gebäude, in dem Restaurants und Läden untergebracht sind. Wir müssen natürlich über diesen Markt, um zu sehen, was es da gibt. Alte Weiblein preisen Honig, Früchte, Nüsse, Bohnen und ´ne Menge verschiedenster Marmeladen an. Lecker, wir kommen auf dem Rückweg noch mal vorbei und werden uns mit Honig eindecken erklären wir. Im Flachbau gehen wir in einen dieser Läden, in dem, wie in den meisten anderen, der aktuelle Tageskurs für die ungarischen Forint angeschrieben steht. Wir tauschen 162 zu 1.
Mutter macht uns darauf aufmerksam, dass wir unbedingt eines von diesen Dingern für jeden mitnehmen müssen, die an der Kasse an langen Schnüren an einem Haken hängen. Ich schau sie mir an und weiß nicht, was ich damit soll: bunte längliche Plastikbehälter mit ca. 3 cm Durchmesser, mit Deckel, aufschraubbar, an einer Kordel, um sie sich um den Hals zu hängen. Was ist das? Mutter erklärt: das sind wasserdichte Behälter, in die man sein Geld stecken muß, damit man es immer bei sich hat und es einem nicht geklaut wird. Ich glaub, ich schaue ziemlich dämlich. Ich weiß nicht, ob ich einfach höflich „Nein, danke.“ sagen soll und damit Gefahr laufe, ihre Beteuerungen, dass man so ein Ding uuunbedingt haben muß im Bad, über mich ergehen lassen soll oder ob ich rundheraus sagen soll, was ich von diesem bescheuerten Dingern halte. Tochter, diplomatisch wie immer, hat mich natürlich schon längst durchschaut (mein Gesichtsausdruck ist auch gar nicht anders zu deuten, nur Mutter begreift es natürlich wieder nicht), nimmt zwei von den Dingern und kauft sie für sich und Enkel. Muttern ist befriedigt; wenigstens einer nimmt hier ihre Sorge um unser Wohl ernst. Ich kümmere mich derweil um eine halbe Melone, die hier in Massen verkauft werden, um sie als Proviant mit ins Bad zu nehmen. Wir haben ja noch nicht genug zu schleppen.
Durch einen Hausdurchgang eines Hotels kommen wir auf den schön angelegten Vorplatz mit blühenden Büschen, Beeten und einemMusikpavillon. Aus den Augenwinkeln sehe ich einige Klamottenläden, die diesen Platz umsäumen. Wie gut, dass wir einfach zu bepackt sind, um da Töchterchen mal „kurz schauen“ zu lassen.
An der Badkasse löst Mutter eine Karte für uns alle für das Freibad und die Kabine für zwei Wochen. Sie bekommt für jeden von uns Einzelkarten. Ich schaue mir inzwischen die aufgehängten Schilder an und verstehe kein Wort von dem was ich da sehe. Meine Frage nach Gruppen- oder Familientarif geht im allgemeinen Gewusel unter. Aufgeregt scheucht uns Mutter durch die Schranke, an der alle Karten abgestempelt werden und rennt zum Kabinenhaus.
Das Bad ist ein riesiges Gelände mit verschiedenen Badebecken, mehreren Duschhäusern, Restaurants, Eisständen, Kabinenhäusern und Touristenläden. Nebenan befindet sich der Hallenkomplex, dessen Benutzung aber extra bezahlt werden muß. Wir haben nicht vor im Hochsommer in die Halle zu gehen, also reicht uns das riesige Freibad, in dem sich auch eines der berühmten Schwefelbäder befindet, wegen denen Mutter hier ist.
Wir bekommen unseren Kabinenschlüssel am Kabinenhaus gleich hinter dem Eingang, ziehen uns in der Kabine um und laufen mit unseren Kram los, um einen guten Platz zu ergattern. Tochter kann natürlich nicht an den Klamottentouriläden vorbei ohne einen Blick auf die bunten Sachen zu werfen. Ich scheuche sie, bepackt wie wir sind, weiter und vertröste sie auf später.
Es ist Samstag, das Bad scheint mir ziemlich voll zu sein. Das kann ja was werden! Wo ich doch solche Menschenansammlungen liebend gern meide.
Zwischen einem großen Nichtschwimmerbecken mit Rutsche und einem Babybecken breiten wir hinter einem Garderobengestell und einigen Duschen auf einer Wiese unter einem Baum zwischen Maulwurfshügeln unsere Decke aus. Hinter uns befindet sich auch ein kleiner Spielplatz. Paßt! Das Enkel ist damit rundum beschäftigt. Mutter zieht wieder nach vorne an ihr Schwefelbecken mit ihrem Liegestuhl und weiß nun wo wir zu finden sind.
Tochter geht mit Enkel ins Babybecken und ich sitze hier auf der Decke und weiß nicht so recht, was ich hier soll. Was tu ich mir eigentlich hier an? Ich, die ich immer jegliche Bäder und Menschenansammlungen meide, höchstens mal mit den Kindern an einen See zum Baden gehe und die Füße ins viel zu kalte Wasser stecke, hab hier nun beide Katastrophen auf einmal: Schwimmbad und Menschenauflauf. Ich glaub mir wird schlecht… Was hat mich dazu getrieben, auf die Frage nach diesem gemeinsamen Urlaub ja zu sagen? Es wird die lange Fahrt gewesen sein, die mich reizte. Ich bin doch so liebend gerne unterwegs. Scheinbar fehlt mir die Fähigkeit langfristig zu denken. Die Fahrt war viel zu kurz! Und natürlich werden wir hier drei Wochen im Bad verbringen. Das war ja der Sinn dieser Reise für Muttern. Was soll´s, vielleicht sollte ich mit diesem Urlaub ja lernen einfach einmal nichts zu tun. Das fällt mir sichtlich schwer.
Ich verlege mich auf´s Beobachten der Leute um mich herum, die für meinen Geschmack alle viel zu laut sind.
Hier scheint man sich ob seines Körperumfanges keine Gedanken zu machen. Entweder lässt die Tatsache, dass man zum Baden hier ist, die Speckrollen und runden Bäuche nebensächlich erscheinen oder die gehen einfach lockerer damit um. Bewundernswert! Bin halt immer noch geprägt von unseren deutschen Schönheitsidealen. Nicht, dass ich mich darum kümmern würde, aber meine Pfunde auf den Hüften nerven mich halt schon manches Mal; beim Hosenkauf z.B. Vor Jahren hatte ich mal einen Laden in Berlin ausfindig gemacht, in dem konnte ich mir Hosen nach Auswahl einer bestimmten Größe kaufen. Paßte immer! Ohne Anprobieren, ohne viel Federlesens, gekauft, angezogen, passt. Nichts da! Das ging zwei Jahre gut und dann war der Laden weg. Ein großer schluckt einen kleinen und schon finde ich keine passende Hose mehr. Danke, ihr Hirnis! Wär ja auch zu schön gewesen, wenn mal ein Kunde zufrieden gewesen wäre. Aber das können die nicht ertragen, Kunden haben gefälligst keine eigenen Wünsche zu haben. Kundenwünsche müssen erst von den Unternehmen geweckt werden, um dann von diesen Unternehmen befriedigt zu werden. Und das hat seinen Preis natürlich, denn die PR, um die neuen Kundenwünsche erst mal zu wecken, muß ja auch bezahlt werden. Pack, blödes!

Im runden Babybecken plantscht inzwischen Enkel freudig mit seinen mitgebrachten Duplofahrzeugen, Tochter sitzt auf dem Rand und beobachtet ebenfalls. Wenn unsere Blicke sich treffen, muß ich nicht lange raten, was sie denkt. Nachher werden wir ordentlich ablästern. Das ist ebenfalls Ritual. Sie nennt es ja „reflektieren“. Ok, mir recht, also wir erfassen eine Situation durch Besprechen des Erlebten. Das kann man meinetwegen nennen, wie man will.
Als sie sich neben Enkel ins Wasser kniet, um ihm zu helfen das Dach seines Treckers wieder zu befestigen, kommt doch glatt ´n Bademeister an und redet auf sie ein. Sie versteht natürlich kein Wort von seinem Kauderwelsch. Er macht ihr Zeichen aus dem Becken zu gehen, also setzt sie sich wieder an den Rand. Was soll denn diese Aktion? Da fällt mir ein Schild auf, das neben den Fußbecken vor dem Babybecken befestigt ist und auf dem auch auf deutsch steht, dass der Aufenthalt für Erwachsene im Babybecken verboten ist. Hä? Hier nimmt doch wohl niemand an, dass ein babyloser Erwachsener ins flache kniehohe Babybecken schwimmen geht. Und die mit Kindern werden doch wohl noch mit ihren Kindern gemeinsam plantschen dürfen. Nee, dürfen sie hier nicht. Was befürchten die? Daß das Becken zu klein ist? Daß die Großen ins Becken pullern? Was soll das?
Da kann ich nur den Kopf schütteln und mir eines von diesen knochentrockenen Brötchen auspacken, die wir uns vom Frühstückstisch mitgenommen haben. Boah, sind die trocken, da braucht man´n Liter Wasser dazu, sonst kriegt man die gar nicht runter.
Die Sonne knallt ganz schön. Ich werd mal ´n bisschen im großen Nichtschwimmerbecken plantschen gehen. Enkel kommt mit und Tochter kann sich trocknen lassen. Das Wasser geht mir bis unter die Brust und ist so pupwarm, dass ich zuerst denke, Enkels Windel ist undicht. Dem ist aber nicht so und ich glaube fast, im Wasser zu schwitzen. Wat´n Erlebnis! So bringt Baden natürlich keine Abkühlung vor der sommerlichen Hitze.
Wir legen uns auf die Decke, Enkel ruht sich aus und Tochter und ich lesen. Gott sei Dank haben wir an Lektüre gedacht, ich wäre vor Langeweile sonst gestorben.
Nach ´ner halben Stunde quäkt plötzlich in völlig überhöhter Lautstärke ein Lautsprecher los, der fast über uns an einem Mast hängt. Mir fällt fast das Buch aus der Hand, Tochter fährt zusammen und Enkel quäkt natürlich aus dem Schlaf gerissen auch entsprechend los. In drei Sprachen, ungarisch, englisch, deutsch, wird uns nun kundgetan, was wir alles für Leistungen im Bad erwarten können. Das einzige, was ich mir merken konnte, war die „Schokolad-massaasch“. Na, die laß ich mir aber nicht von euch, sondern von ausgesuchten Männerhänden angedeihen, ihr Deppen!
Schon mal wach, vertilgen wir die halbe Melone. Muttern darf wegen ihrem Zucker eh keine essen und so verputzen wir das ganze Stück. Da kommt sie schon angerannt, natürlich mit einem dieser bunten Plastikröhrchen um ihren Hals, und holt uns zum Mittagessen ab. Mit dem baumelnden Ding vor der Brust sieht sie ein bisschen aus wie eines dieser Kinder, die alleine reisen und denen man die Adressdaten um den Hals hängt, damit sie nicht verloren gehen. Na, Muttern wird hier schon nicht verloren gehen.
Wir werfen uns ein Strandkleid über, laufen durch´s Bad, schauen uns an, was man in den Läden kaufen kann und gehen in ein Restaurant. Eher Schnellimbiß. Man geht an eine Luke, bestellt und setzt sich mit dem Essen an einen der Bierklapptische. Mutter preist uns die berühmten Langosch an. Mir ist bei solchen Gelegenheiten nie klar, ob die wirklich berühmt sind oder ob Mutter sie für berühmt erklärt, weil sie die gut findet. Ok, probieren wir die Dinger. Man bekommt dann einen total fettigen ausgebackenen großen dicken Teigfladen auf einer Pappe, auf den Knoblauch-Sauerrahm geklatscht wird. Enkel will unbedingt einen Eierkuchen mit Schoki. Ich muß mindestens zweimal noch zur Luke, um genügend von diesen hauchdünnen Servietten zu holen, weil uns das Fett massenhaft von der Pappe tropft. Ok, haben wir die auch einmal probiert. Ich glaub, Mutter ist etwas beleidigt, weil ich ihre berühmten Langosch nicht genügend würdige. Enkel hat einen hauchdünnen Eierkuchen bekommen, der mir dünner als die Papierservietten erscheint. Zusammengerollt würd ich den einmal einatmen und fragen wo der Eierkuchen bleibt. Na, sag ich doch, Enkel hat zwei große Haps gebraucht, also wird noch einer geordert. Zum Trost bekommt das Enkel von Muttern noch ein Eis auf dem Rückweg zur Decke. Wir auch. Bestimmt weil die Langosch nicht so gut bei uns ankamen. Mütter…!
Ich kann kaum glauben, dass ich nun noch den ganzen Nachmittag hier in der Langeweile aushalten soll. An den restlichen Urlaub mag ich gar nicht denken! So viele Bücher gibt es ja gar nicht in Ungarn, um das heil zu überstehen. Ich hab doch ein Buch schon an einem Tag aus. Das wären dann wohl mindestens 20 Bücher, die ich noch bräuchte. Bisher hab ich keinen einzigen Laden entdeckt, der Bücher anbietet. Ok, Tochter hat zumindest schon mal eines mit, das ich noch nicht gelesen hab, können wir später ja tauschen.
Die Lautsprecherstimme unterbricht mich jäh in meinen Überlegungen und schreit uns etwas Ungarisches entgegen, das wohl nur für Badmitarbeiter gedacht war, sonst hätte die das noch in deutsch und englisch übersetzt. Ich flüchte zum Schwimmerbecken am Eingang des Bades, nehme Handtuch und Portemonnaie mit. Mir wird nichts geklaut, noch nie. Habe bisher nur aus eigener Schusseligkeit etwas verloren, aber bin noch nie beklaut worden. Und an das Märchen der klauenden Ungarn oder Urlauber glaub ich nicht. Da passen bestimmt auch die vielen Bademeister mit auf. Die können sich so einen Skandal gar nicht erlauben in so einem Bad. Und richtig, kaum am fast menschenleeren Becken angelangt, spazieren zwei Uniformierte vorbei. Kann mir zwar nicht vorstellen, dass diese Uniform die der örtlichen Polizei sein soll, aber selbst wenn hauseigene Security anwesend ist, schreckt das potentielle Diebe schon mal ab.
Das Wasser des Schwimmerbeckens ist eiskalt. Natürlich kommt es mir bestimmt kälter vor als es in Wirklichkeit ist, aber mich kostet es einige Überwindung unterzutauchen. Nach zwei Bahnen schwimmen verzieh ich mich frierend wieder. Je heißer die Umgebungsluft ist, desto kälter kommt mir das Wasser vor. Nichts für mich. Auf dem Rückweg zur Decke schau ich noch in einem Laden vorbei und erstehe einer dieser lustigen Pumphosen, die den Schritt in den Kniekehlen haben. Solch eine suche ich schon lange, für 20,- € kann ich die mal mitnehmen.
Den Tag bringen wir mit Faulenzen und Plantschen mit Enkel rum bis gg. 18 Uhr Muttern auftaucht, um uns zum Abendbrot auf der häuslichen Terrasse abzuholen.
Abends rufen wir noch die Vermieterin an, nachdem wir nach langem Hin und Her endlich die richtige Vorwahl herausgefunden haben, und sprechen ihr auf den Anrufbeantworter, dass wir sie in den nächsten Tagen zu einem Gespräch erwarten, weil wir mit dem Haus unzufrieden sind.

27. Juli 2011

Wie man sich seinen Urlaub versauen kann

Die ersten fünf Tage in Ungarn verbringen wir bei sommerlicher Hitze im Bad, die nächsten zwei… aber der Reihe nach:
Die ersten fünf Tage hab ich irgendwie im Bad rumgekriegt. Die beiden Bücher waren bereits am dritten Tag ausgelesen, obwohl ich wirklich versucht habe langsam zu lesen. Tochter hat sich auch so eine bunte Pumphose gekauft und ein paar schöne Oberteile fanden ebenfalls den Weg in unseren Garderobenschrank.
Diese Pumphose ist echt cool. Im Bad ziehe ich mir die als kurzen Hosenanzug über den Badeanzug wenn wir essen gehen, indem ich den Taillengummizug bis unter die Achseln ziehe und die langen Hosenbeine dann bis grad über die Knie reichen. Draußen dient sie mir als Hose. Mir egal, ob sie als Hosenanzug wirklich gedacht ist. Ich scher mich ´n feuchten Kehricht um irgendwelche Mode; ich finde das praktisch, dass ich die Hose in mehreren Funktionen nutzen kann. So was sollte man öfter mal erfinden: Dinge, die mehrere Nutzen haben. Aber da verdienen die ja nüscht dran; lieber jedes Teil extra verkaufen.
Zwischendurch sind wir noch ein paar Mal einkaufen im hiesigen ABC Market, der in etwa mit einem kleinen Edeka in Deutschland vergleichbar ist, und am benachbarten Campingplatz Wäsche waschen.

Mutter lernte im Bad eine Deutsche kennen, die hier auf dem Platz mit ihrem Mann im Mobil ihren Urlaub verbringt. Die erzählte ihr von der Waschmöglichkeit. An der Rezeption frag ich also bepackt mit einer großen Tasche schmutziger Wäsche nach. Mir wird die Wäsche abgenommen und in einen kleinen Wäscheraum gebracht, indem zwei Waschmaschinen, zwei Trockner, ein Tisch und ein Trocknergestell stehen. Ein paar Stunden später kann ich die Wäsche bereits gewaschen wieder mitnehmen. Zwei Waschmaschinen voll ohne Trocknen kosten, glaub ich 1.200 Forint. Eine lange Wäscheleine haben wir dabei und wird kurzerhand zum Wäschetrocknen im Garten aufgehängt.
Also, wir haben fünf Tage in der Sonne gebraten, die Badeanzugträger haben sich bereits in meine Schultern gebrannt, als mich am fünften Tag morgens eine eklige Übelkeit weckt. Der gedeckte Frühstückstisch auf der Terrasse kann daran auch nichts ändern. Im Gegenteil, ich gehe angesichts der Speisenden erst mal die Kloschüssel ansehen. Tochter wundert sich bereits, warum Enkel heut als Frühaufsteher so lange schläft und gestern abend so nöhlig eingeschlafen ist. Mir schwant bereits was. Wir haben beide einen ausgewachsenen Sonnenstich! Das ist bei mir zwar nichts Neues, aber das Enkel hat den nich immer! Spätestens nach dem Aufwachen des Enkel ist es Tochter auch klar: mäkelig, quengelig, unausstehlich, erhöhte Temperatur - das Enkel ist krank. Also nüscht mit Badbesuch heute für uns. Muttern steht allerdings in den Startlöchern und wird freundlich verabschiedet ins Bad.
Bin nicht sehr traurig, dass ich mal ´n Gammeltag außerhalb des Bades verbringen kann und packe mich ins Bett. Tochter hält Enkel so gut es geht bei Laune. Gegen Sonnenstich kann man eben nichts machen außer wegschlafen. Mach ich eh immer, wenn´s mir schlecht geht. Tochter ist allerdings etwas besorgt und kann nicht glauben, dass man da nichts gegen tun kann. Ich verordne Enkel die doppelte Ration Trinkwasser, Schatten und Ruhe. Damit muß sie sich zufriedengeben. Geht ja nich anders. Wenn einem die Sonne das Hirn weg brennt, dann muß halt mit Flüssigkeit nachgefüllt werden und das nicht in der prallen Sonne, sondern möglichst hinter verschlossenen Jalousien, damit´s nich gleich wieder wegbrutzelt.
So vergammeln wir die nächsten zwei Tage, bis es Enkel wieder besser geht. Meine Übelkeit dauert nur einen Tag.
Die Vermieterin lässt sich dann auch endlich am Donnerstag blicken, just an dem Tag, den ich nur mit Reihern verbracht habe. In dem Zustand bin ich nicht in der Lage ihr entsprechend resolut gegenüberzutreten und lasse Tochter ausrichten, dass das Haus nicht ok ist, wie sie immer wieder zu behaupten versucht und Mutter sie in den nächsten Tagen sprechen will, jetzt sei Mutter aber im Bad und sie solle doch abends kommen, wenn Mutter auch da ist. „Jaja, Abend“, nickt sie und verschwindet wieder.

26. Juli 2011

Wie man den Balaton (Plattensee) entdecken kann

Nachdem wir uns alle wieder erholt haben… regnet es. Was is´n das? Wir haben Urlaub! Also machen wir uns auf den Weg an den (O-Ton Mutter) „berühmten Balaton“. Wir fahren um den halben Balaton herum, um von einer Halbinsel mit einer Fähre überzusetzen und von der anderen Seite wieder gen Zalakaros zu kommen. Inzwischen hat es auch wieder aufgehört zu regnen und die Sonne bricht zwischen den Wolken durch. Hatte Mutter ja recht, als sie unterwegs an den Horizont zeigte und meinte: „Dahinten wird´s aber wieder schön.“ Unterwegs besichtigen wir eine alte Kirche auf einem steil ansteigenden Hügel. Von da oben haben wir eine phantastische Aussicht über den Balaton.


Das Wasser ist milchig weiß, das wundert mich etwas. So was hab ich noch nie gesehen (was ja nichts heißt!).
In einer kleinen Seitengasse finden wir ein schönes Lokal, wo wir auf einer Terrasse draußen essen können.

Auf der Fähre erklärt uns Mutter, dass der Balaton nur ganz flach ist und lediglich die Fahrrinne der Fähre eine Tiefe von mehreren Metern hätte. Wie, der See is ganz flach? Dann is Jesus also hier über´s Wasser gelatscht und nich im heiligen Land! Mutter findet das irgendwie gar nicht lustig.

Es ist wirklich schwierig mit dem Auto direkt an den See zu gelangen. Wir schaffen es nach einigen Anläufen. Wenn Badestellen vorhanden sind, dann nur in größerem Stil Marke Freibad mit Eintritt und allem Tamtam, und natürlich völlig überfüllt. Nee, wahrlich nicht. Da komm ich ja vom Regen in die Traufe! Mutter ist bereits etwas genervt, aber ich gebe nicht auf, trotz ihrer Versicherungen, dass es hier nichts anderes gäbe, sie wäre hier mit den anderen Kindern auch immer hingegangen. Kann ja sein, aber nicht mit mir! Das tu ich mir doch nicht an!
Nach einigem Suchen finde ich tatsächlich eine öffentlich zugängliche Badestelle mit großer Wiese und kleinem Spielplatz, die noch nicht zu sehr überlaufen ist. Da die Sonne wieder brennt und das Enkel unbedingt Bewegungsraum braucht, setzen wir uns also auf diese Wiese. Die Spielplatzgeräte haben zwar schon bessere Tage gesehen, aber sie funktionieren. Das Ufer ist mit Schilf zugewachsen und das Wasser nur über eine kleine ca.8 Meter breite felsige Uferstelle über eine Treppe zu erreichen. Paßt schon! Enkel ausgezogen und rein ins Wasser. Die Farbe des Wassers kommt bestimmt von den Mineralien hier im Boden, Tochter sagt Schlamm. Mich erstaunt, wie flach der See wirklich ist. Da kann man tatsächlich einen Kilometer weit reinlaufen und das Wasser geht einem immer noch höchstens bis an die Hüfte.
Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Ok, ertrinken wird hier wahrscheinlich keiner, das ist schon mal Fakt. Aber richtig schwimmen auch nicht.
Aber zum Abkühlen, Erholen, Faulenzen, Enkel bespaßen reicht´s allemal.

25. Juli 2011

Wie man Bekanntschaft mit „ungarischen Büffeln“ machen kann


Am nächsten Tag ist es wieder genauso diesig wie der Tag davor begonnen hatte. So machen wir uns auf den Weg zum kleinen Balaton. Natürlich bemerkt Mutter während des Nieselregens unterwegs: „Da hinten ist es aber schon wieder schön.“ Sie sollte auch für diesmal recht behalten.
Vorsorglich habe ich im Mobil immer meine Angelausrüstung dabei. Ich angel für mein Leben gerne. Zwar mit sehr mäßigem Erfolg, aber trotzdem gerne. Vielleicht bietet sich ja heut eine Gelegenheit dazu.
Muttern lotst uns also an den kleinen Balaton und kaum sehen wir das Wasser schimmern, bevölkern Angler rechts und links von der Straße die Gegend. Na, so was!
Wir fahren ein Stück um den See herum, um zu einer von Mutter angepriesenen Stelle zu gelangen, an der man auf Aussichtstürmen über den See schauen kann. Diese Stelle wird auch von anderen angepriesen, z.B. von den großen Schildern und der Parkplatzwächterin, die uns die Parkgebühr abnimmt und „letztes Mal ganz bestimmt noch nicht dagewesen ist.“ (O-Ton Mutter). Paßt schon, wollen halt auch leben, die Ungarn.
An den typischen zwei, drei Marktständen vorbei führt der Weg über eine Holzbrücke in ein Naturschutzgebiet am See. Ein Wanderweg führt um den See herum, auf Tafeln werden Flora und Fauna erklärt (auch in deutsch). Auf dem Uferweg machen wir bald einen Angler am Ufer aus, der wohl etwas professioneller an seine Arbeit geht als wir. Macht nichts, Enkel soll auch seinen Spaß haben. Also werden unsere beiden Ruten herausgeholt, Mais aufgesteckt und an der freien Nachbarbucht ausgeworfen. Nachdem ich einige Male werfen übe klappt das dann auch. Etwas neidisch schaue ich dem Profi-Angler nebenan zu, wie er einen dicken Fisch nach dem anderen aus dem See holt. Der hat allerdings auch professionelles Gerät: an seiner sehr viel größeren Angel hängen gar mehrere Hakenschnüre und ein sehr viel größeres Gewicht, so dass er die Angel sehr weit in den See hinauswerfen kann. Er benutzt Brot als Köder, das er faustgroß ins Wasser tunkt und dann zu einem Ball an seine Angel zusammenpresst.
Der Erfolg sei ihm gegönnt. Der versteht sein Handwerk und ich freue mich für ihn.
Muttern sitzt derweil auf einer Banke und strickt. Enkel hat auch Freude am See, matscht, buddelt, angelt mit Stöckchen bis wir weiterspazieren zum nächsten Aussichtsturm. Der steht leider nicht mehr, zu baufällig gewesen.
Wir machen uns auf den Rückweg und fahren noch im Büffelreservat vorbei.
Geht es nur mir so, dass ich bei dem Wort an weite Flächen denke, auf denen die Büffelherden mehr oder weniger in Freiheit leben (also geschützt vor der Außenwelt)? Oder erlieg ich da den Vorstellungen, die man mit den Weiten der Prärie in Amerika assoziiert? Ich bin gespannt.
Natürlich bezahlen wir auch hier Eintritt, finden aber auch einen Parkplatz vor, auf dem der Dicke ohne größere Schwierigkeiten stehen kann.
Büffel: ja, nein, ich weiß nicht; Reservat: nein!
Das Gelände ist wohl eher mit einem großen Bauernhof zu vergleichen, auf dem man auch die Wiesen den Besuchern zugänglich macht. An den Wegen laufen Ziegen und zwei Esel stehen auf der Wiese angebunden. Ein Rundweg führt durch die Büffelwiesen, auf denen die Büffel stehen wie bei uns die Kühe. Die Büffel sehen aus wie die mir bekannten Longhornrinder, nur mit längerem Zottelhaar bekleidet. Büffel sehen für mich eigentlich anders aus. Ich muß mal in Erfahrung bringen, ob das wirklich wörtlich „Büffelreservat“ heißt oder Mutter die Viecher hier nur so nennt, weil sie sich so Büffel vorstellt. Und „Reservat“, nun, eine Riesenwiese mit angrenzendem Wald kann Muttern ja auch schon als Reservat erscheinen.
Auf dem Rundweg muß man einmal über eine kleine Metallbrücke über einem Graben. Unverständlicherweise ist hier kein Zaun zur Wiese der Büffel am Ausgang der Brücke, sondern erst ca. 6 Meter weiter ein kleines Tor. Als wir an der Brücke ankommen, stehen bereits mehrere Leute gedrängt darauf. Neben der Brücke steht ein weißer Bulle (also ein Büffel!). Trauen die sich da nicht vorbei? Ich geh die Treppe rauf und will hinten wieder runter, als mich ein kleines Gewusel ankläfft, einige Hopser neben der Brücke macht und rasch hinter dem schützenden Zaun verschwindet als daraufhin der Bulle seinen Kopf mit den langen Hörnern senkt und ein paar Schritte auf ihn und somit auch auf uns auf der Brücke zu macht. Äh, der wird doch nicht…? Wäre er weiter hinten stehen geblieben, wär ich einfach rübergegangen, aber so dicht ist mir der Bulle nicht mehr geheuer nachdem er von der kleinen Trethupe so aufgeregt wurde. Wem gehört denn dieser vorlaute Köter? Kann den nicht mal jemand zur Ordnung rufen?
Schon kommt ein Mitarbeiter angelaufen, wirft die Arme in die Höhe, ruft „Kusch!“ und geht wieder von dannen. Als der Bulle ihn kommen sieht, macht er schon auf dem Absatz kehrt und läuft schwerfällig zu seiner Herde zurück. Na bitte, so einfach ist das in Zukunft; alles Schisser wir.

24. Juli 2011

Wie man mit versagender Bremse eine rote Ampel überfahren kann

Heute steht ein Besuch in der nächstgrößeren Stadt Nagykanizsa an. Mutter navigiert wieder und freut sich schon auf den Markt dort.
Als wir die erste größere Ampelkreuzung nach der Ortseinfahrt passieren wollen und die Ampel auf gelb schaltet, bemse ich und … nichts passiert. Die Bremse bremst nicht! Also zumindest nicht so wie sie sollte. Lediglich im letzten Viertel zeigt sie leichte Bremswirkung. Aber da ist der Dicke bereits bei rot über die Kreuzung gerauscht. Gut, dass niemand auf der Straße war. Was war das denn? Hinter mir ist keiner und ich probiere es gleich noch einmal mit ´ner scharfen Bremsung und wieder dasselbe Spiel. Also fahre ich vorsichtig, langsam und vorausschauend weiter und halte dabei gleichzeitig Ausschau nach einem Zeichen einer Werkstatt. Mutter entdeckt den Markt, zu dem wir eigentlich wollten und so fahren wir erst mal da hin.
In einer riesigen Halle ist ungefähr die Hälfte der Läden und Marktstände besetzt. Kriegen die nie einen Markt voll? Haben die immer zu groß geplant, oder was soll das mit den halbvollen Märkten?
Wir decken uns mit frischem Obst und Gemüse ein und Mutter ordert noch beim Fleischer Kottelets für alle. Im benachbarten Supermarkt gehen wir den Rest einkaufen. Mutter stellt fest, wie billig hier Obst und Gemüse im Vergleich zur Ware auf dem Markt sind. Ja, klar, Mutter, die kaufen das ja auch in rauen Mengen, um es auf ihre einzelnen Läden im ganzen Land zu verteilen, die zahlen natürlich auch nicht soviel wie wir beim Bauern direkt im Markt. Die Bauern vor Ort müssen ja auch von ihren Einnahmen leben. Außerdem verbrauchen die bestimmt nicht so viel Pestizide, wie die Großbauern, die die Supermärkte beliefern; also haben wir auch noch gesündere Kost vom Markt. Mutter hört nur mit halbem Ohr zu und fragt, was wir noch brauchen. Was soll ich mich aufregen… ich antworte „Joghurt.“ Ich hätte auch „Birmingham“ sagen können mit dem gleichen Ergebnis. Sie rennt eh durch alle Gänge und kauft ein, was wir in den nächsten Tagen gar nicht alles wegessen können.
Als nächstes machen wir uns auf den Weg in eine Werkstatt, und können beim besten Willen keine finden. Wieder raus aus dem Ort entdeckt Mutter ein Restaurant, das sie von früher kennt und lädt uns alle zum Essen ein. Sehr nobel eingerichtet. Wir bekommen das beste Essen seitdem wir unterwegs sind. Lecker.
Beim Hinausgehen frage ich am Tresen nach einer Werkstatt und werde zurück in den Ort geschickt. Und wirklich, kurz hinterm Ortsschild sehe ich in einer Seitenstraße eine kleine Werkstatt. Als ich das kleine Werkstattbüro betrete werde ich gar nicht beachtet. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich statt ungarisch Guten Tag „Jo napot!“ immer „Dzien dobry!“, nämlich polnisch Guten Tag sage. Ich kann mir das einfach nicht merken. Geduldig warte ich also, bis ich gefragt werde. Ich erkläre mit Händen und Füßen mein Problem mit der Bremse. Man versteht mich nicht. Erst als ein anderer Kunde bemerkt, dass ich Deutsche bin, fordert er mich auf, es ihm zu erklären, dann übersetzt er den Werkstattleuten, was er verstanden hat. Ich zeige auf den Dicken draußen, sie nicken und lassen sich den Fahrzeugschein geben. Der Ältere winkt mich in die Werkstatt, ich gehe hin. Er lacht und macht Lenkbewegungen, nein, ich soll den Wagen reinfahren. Ok, also alle Mann aussteigen. Ich schicke die Besatzung in das gegenüberliegende Einkaufscenter Kaffee trinken und will in die Werkstatt fahren, da seh ich, dass die Grube offen ist. Ich soll da rein fahren ohne den Dicken zu versenken? Das Tor ist ja kaum breit genug für das Mobil! Mir stockt der Atem. Ok, jetzt kannste zeigen, wie viel dir der Wagen wert is, denke ich mir und fahre vorsichtig durchs Tor. Nur nicht dran denken, dass unter dir kein Boden ist, spukt mir die ganze Zeit im Kopf rum und schon ist der Dicke drin. Na, hat doch super geklappt. Ich freue mich als wenn der Dicke schon wieder fahrtauglich wäre. Der Jüngere klettert in die Grube. Nun heißt es warten. Nach 20 Minuten, erheblichem Gepolter aus der Grube und zwei verpafften Zigaretten erscheint der Jüngere mit dem Älteren und zeigt mir ein in alle möglichen Richtungen gebogenes dickes Drahtseil, das offensichtlich einige erhebliche Roststellen und gar schon gerissene Stellen aufweist. Bei Beuys wäre das Modern Art gewesen, hier scheint es sich jedoch um das Feststellbremsseil zu handeln. Beide schwingen sich in einen Kleinwagen und sausen los. Ok, denk ich das werden sie wohl jetzt als Ersatzteil besorgen. Und richtig, 15 Minuten später sind sie wieder da und zeigen mir ein neues Drahtseil. Ich nicke, sie bauen ein. Mir ist immer noch nicht der Zusammenhang zwischen Feststellbremse und Fußbremse klar. Ich brems doch nicht mit der Handbremse?! Ich mein, so wie das alte Ding ausgesehen hat, wird es wohl das beste sein, das neue einzubauen. Aber hoffentlich vergessen sie dabei nicht das Problem der Fußbremse. Zwei weitere Zigaretten später ruft mich der Jüngere rein, ich solle ein Stück vorfahren. Ja, wo isser denn? Der hockt in der Grube und ich soll einen Meter über ihn drüber fahren? Der ist doch lebensmüde! Wenn ich nicht in der Grube lande und der Dicke ihn zerquetscht, bekommt er zumindest eine Abgasvergiftung, so wie der Dicke immer bei jedem Start qualmt! Ich kann leider kein Ungarisch, ihm diese Gefahren also leider auch nicht erläutern, und so fahre ich einen Meter weiter, damit er an den hinteren Teil des Wagens auch von der Grube aus rankommt. Er lebt noch, gut.
Ich setze meine Wartewanderungen auf dem Hof der Werkstatt fort und entdecke gegenüber meine Besatzung von einem Laden in den nächsten wandern. Wer sagt´s denn: des Wandern ist des Müllers Lust! Kommt Tochters Interesse nach Bummeln bestimmt entgegen diese Zwangspause. Ich winke hinüber, sie winken zurück und ich ziehe meine Schultern und Arme hoch, um zu zeigen, dass ich nicht weiß wie lange es noch dauern wird. Tochter winkt ab, klar, für sie kein Problem.
Weitere 20 Minuten später winkt der Ältere mich heran und fordert mich auf die Bremse zu testen: „Brems gut?“ Ich steige ein und trete das Pedal durch – kein Widerstand. Verwirrt schaue ich ihn an: „Nein, nichts!“ Er legt mir seine Hand auf den Arm und grinst: „Nix Gas, Bremse!“ Ich Trottel hab in der Aufregung Gas und Bremse verwechselt. So etwas ist mir in meiner gesamten Laufbahn als Autofahrerin bisher nur einmal passiert, aber dazu später mehr. Ich trete auf´s Bremspedal und spüre schon nach dem ersten Viertel starken Widerstand, klasse. „Ja, funktioniert! Super!“, freue ich mich. Er nickt, ich fahre den Wagen wieder aus der Werkstatt – millimeterweise und parke ihn auf dem Parkplatz. Die Rechnung bezahle ich mit allen Kronenscheinen, die ich noch bei mir habe. Aber ich kann dem Mechaniker doch keine kleinen Münzen als Trinkgeld dalassen. Also reiche ich dem Jüngeren einen 5,- € - Schein über den Tresen und bedanke mich. Er nimmt ihn, schaut ihn sich ganz genau an und sagt was auf ungarisch zu dem Älteren. Ich frage: „Is that ok?“ Der Jüngere nickt scheinbar verwirrt und ich verabschiede mich. Muß er jetzt sehen, wie er mit dem Wechseln des Scheines klarkommt, ich kann leider nicht anders. Es wird ja wohl irgendwo in dem Nest hier ´ne Bank geben.