22. Juli 2011

Wie man Baden- Württemberger in Österreich gar nicht sympathisch finden kann

Beim Abendessen halte ich mich zurück. Tochter und Mutter planen die Weiterfahrt. Es hat ja keinen Sinn mehr hier. Der Regen hört gar nicht mehr auf. Egal, wie oft Mutter erwähnt: „Da hinten is aber schon wieder schön!“.
Sie unterbreiten mir den Vorschlag, uns in Richtung Heimat zu begeben und auf dem Weg  anzuhalten wo´s schön ist. Ok, passt.
Also packen wir am 11. Urlaubstag und verstauen wieder alles im Alkoven. Da die Wäsche nur zum Teil trocken ist, packe ich die noch feuchte Wäsche in eine Extratasche. Es wird sich unterwegs eine Möglichkeit bieten, sie zu trocknen.
Der Vermieterschnepfe spreche ich noch einmal auf ihren Anrufbeantworter, daß wir sie innerhalb einer Stunde hier erwarten, weil wir fahren werden und sie solle noch Euros mitbringen. Natürlich kommt sie nicht. Natürlich schreibe ich ihr einen Brief, den ich ihr auf dem Terrassentisch hinterlasse, daß wir noch eine Woche Urlaub in ihrem Haus gut hätten und wir den noch innerhalb dieses Jahres hier verbringen würden, es sei denn sie schickt uns die restlichen Euros, dann würde ich ihr den Schlüssel zurücksenden. Natürlich schließe ich alles gut ab und natürlich stecke ich den Schlüssel ein und nehme ihn mit.
Auch Katze ist der Aufbruch nicht entgangen und sie streicht um unsere Beine, springt vom Wagen ins Haus und wieder zurück, damit wir sie auch ja nicht vergessen.
Wir fahren über´s nördliche Ungarn bis nach Österreich. Im Net haben wir eine schöne Gegend an der Donau entdeckt, See an See, in der man Campingplätze und Badegelegenheiten für das Enkel finden kann. Ich freu mich insgeheim schon über das Abenteuer in den Bergen. Mal sehen, was der Dicke so schafft.
Beim Tanken unterwegs in Österreich fall ich fast vom Glauben ab als mir die Dieselpreise bewusst werden. Was ist das denn? Hier ist der Diesel billiger als in allen anderen Ländern! Haben die Österreicher neuerdings eine Ölquelle aufgetan? Oder ist hier das Benzin weniger mit Steuern belastet als anderswo? Egal, ich tanke so viel und so oft ich kann solange wir in Österreich sind. Wir fahren die L 84 über Wiener Neustadt an die Donau und wollen uns einen der Campingplätze am Fluß entlang suchen, die wir vorher im Net bei Zwettl in Niederösterreich zahlreich gefunden haben.
Die Bergtouren sind der Gaudi für uns: der Dicke schleppt sich den Hügel hoch, zu Fuß wären wir wieder mal schneller gewesen und wir lachen bis uns die Tränen kommen.
Gegen 18 Uhr erreichen wir die anvisierte Gegend. Gerade haben wir es die Hügel hinaufgeschafft, vor uns das kleine Tal, durch das sich ein Fluß schlängelt und in dem es Campingplätze geben soll. Ich laß den Dicken den Berg auf ein kleines Dorf zurollen und reguliere die Geschwindigkeit nur mit der Bremse, da leuchtet plötzlich die Bremsleuchte am Armaturenbrett auf. Na, klar, das hat mir zu meinem Glück noch gefehlt. In den Bergen ein Bremsproblem! Wir rollen durch´s Dorf, finden den Campingplatz erst nicht, fahren zurück und entdecken einen steilen Weg noch weiter runter ins Tal. Vorsichtshalber stell ich den Wagen oben ab und laufe schnell runter, um nachzusehen, ob es der Weg zum Campingplatz ist. Ja, aber es ist kein Häuschen vorhanden, das Mutter hätte mieten können, um hier die Nacht zu verbringen. Im Wagen will sie nicht schlafen.
Ok, also weiter. Gut, daß ich den steilen Weg nicht runter gefahren bin, den hätte der Dicke nie und nimmer wieder hoch geschafft. Wir fahren in der einbrechenden Dunkelheit ein paar Kilometer weiter zu einem Campingplatz an einer Burgruine. Da die Rezeption seit 20 Uhr geschlossen hat, es aber bereits 21 Uhr ist, schaue ich mir die Anlage noch an und parke dann auf dem großen völlig leeren Besucherparkplatz vor dem eigentlichen Campingplatz. Wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben als doch gemeinsam eine Nacht im Wagen zu verbringen. Mutter bekommt das Doppelbett, Tochter und Enkel schlafen auf der umgebauten Sitzecke und ich mache es mir im Schlafsack auf dem drehbaren Beifahrersitz gemütlich. Zuerst denke ich, daß ich kein Auge zukriege heut Nacht, aber dann muß ich wohl doch eingeschlafen sein, weil mich Tochter irgendwann in der Nacht anstupst, weil ich wieder schnarche.
Morgens schicke ich Tochter, Mutter und Enkel in die Duschen, dort kann man 0,50 € in die Duschautomaten direkt einwerfen. Meine Toilette erledige ich im Wagen. Dann gehe ich zur Rezeption und frage nach Übernachtungsmöglichkeiten. Ein kräftiger Bärtiger antwortet, daß er fast ausgebucht sei, aber noch Platz für Wohnmobile hätte. Ich spule meine Fragen ab nach Toiletten, Strom- und Wasseranschluß, Ferienhaus für Mutter. Er schaut mich an als hätte ich verlangt einen Platz auf dem Mond zu mieten. Stromanschluß? Das gäbe es bei ihm nicht. Äh, klar, ihr bekommt die Energie hier in Österreich bestimmt per Strahlenpost von einem fernen Planeten, oder wie? Seine Camper, erklärt er stolz, hätten schließlich alle Solaranlagen zur eigenen Stromversorgung. Gut, du Affe, denk ich, kann ja nich so schwer sein, mir ´n Kabel von deinem Büro zum Platz zu legen, und frage nach einer solchen Möglichkeit. Er schaut mich pikiert an, als hätte ich ihm auf den Tresen gesch…en.
Ok, auch gut. Wie sieht es dann mit Ferienhäuschen für Mutter aus? Man wäre seit Monaten ausgebucht, erklärt der gute Mann ziemlich von oben herab. Mir fällt auf, daß er gar nicht diesen wohligen österreichischen Slang drauf hat. Der kommt auch nich von hier. Ok, dann nicht, die Lust auf einen Aufenthalt hier is mir eh schon vergangen, Du Lackaffe. Wir würden allerdings gerne die Burgruine mit dem Enkel besichtigen, ob das wohl möglich wäre und welcher Weg da hin führe. Ob wir mit dem Auto da wären. Klar, du begriffsstutziger Trottel, sonst hätte ich ja nicht nach einem Platz für das Wohnmobil gefragt! oder meint er ich würd mal kurz vorlaufen nach Österreich, um auf seinem Platz zu reservieren? Ja, da müssten wir zurück an den Abzweig der Straße, an der Försterei einen Parkschein lösen für 2,- €, dann könnten wir auf dem Besucherparkplatz vor dem Campingplatz parken, um zur Ruine zu laufen. Ich antworte, daß wir bereits auf diesem Parkplatz stehen würden, sonst wären wir wohl kaum hier, und trotzdem die Ruine besichtigen wollen. So ginge das aber nun gar nicht, schließlich würde vorne ein Schild hängen, das die Pflicht zum Kauf des Parkplatzscheines ja ankündigen würde. Guter Mann, wenn ich mit meiner Familie um 21 Uhr hier ankomme und die Rezeption keine Gäste mehr empfängt, wird wohl auch die Försterei nicht mehr für Gäste geöffnet haben, um Besucher im Dunkeln zur Ruine zu lassen, also stelle ich mich nachts, um meine Familie nicht im Wald bei einem Lagerfeuer vor den Wölfen beschützen zu müssen, mit meinem Wagen auf diesen Parkplatz, um am nächsten Tag an der Rezeption, wenn sie denn wieder gewillt ist Gäste zu empfangen, einzuchecken. Nun stehe ich also hier, kann nicht einchecken, will aber zur Ruine.
Nun legt er aber richtig los: wie, Sie stehen hier bereits eine Nacht? Dann müssen Sie aber auch eine Nacht Campingplatz bezahlen! Das schlägt dem Faß ja nun den Boden aus! Is der irre? Wenn der nicht Österreicher ist, wo kommt der her? Vom Mond? Ruhig erkläre ich ihm, daß dieses Vorgehen aber auf allen Campingplätzen, die ich bisher besucht hätte, üblich sei: wer vor geschlossener Rezeption steht, stellt sich auf den Parkplatz davor und checkt am nächsten Morgen ein. Er empört sich, das höre er zum ersten Mal! Wo ich denn herkäme, wo so etwas üblich wäre? In Deutschland z.B. mache man das so, erwidere ich. Er käme aus Baden-Württemberg und ihm würde so etwas noch nicht untergekommen sein. Nun, dann fahr mal aus deinem Wolkenkuckucksheim los und probier´s aus, du Hansel. Typisch für diese Berliner, schimpft er. Hat er mich wohl an meiner Sprache erkannt. Ich verkneife mir einen Kommentar über die Baden- Württemberger, grinse ihn frech an, krame aus meiner Lederjacke ein Zwei-Euro-Stück und knalle ihm das auf den Tresen. Wenn ich eine Nacht auf dem Campingplatz verbracht hätte, würde ich die auch bezahlen, da ich aber nur die Ruine anschauen möchte, bezahle ich nun hiermit die Parkplatzgebühr und geh jetzt mit der Familie zur Ruine. Sprach´s, macht auf dem Absatz kehrt und geht mit der family die Ruine anschauen.
Die steht wirklich nur noch in einzelnen Mauerwänden da, nur ein gesperrter Turm ist noch erhalten. Das Enkel kraxelt alle Mauern, Nischen, Hügel mit Tochter ab und entdeckt eine kleine Schlange, die sich schnell im dichten Laub davon macht. Mutter sitzt derweil am anliegenden See auf der Bank und strickt. Diese Bucht am See ist wunderschön. Auf der linken Seite der Hügel mit der Burgruine, auf der rechten eine Felsenwand mit riesigen Steinen, die Enkel auch noch erkundet. (Leider habe ich keine Daten mehr über diesen Standort, scheinbar hat sich da mein Hirnzensor wg. dem Baden-Württemberger eingeschaltet.)

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