24. Juli 2011

Wie man mit versagender Bremse eine rote Ampel überfahren kann

Heute steht ein Besuch in der nächstgrößeren Stadt Nagykanizsa an. Mutter navigiert wieder und freut sich schon auf den Markt dort.
Als wir die erste größere Ampelkreuzung nach der Ortseinfahrt passieren wollen und die Ampel auf gelb schaltet, bemse ich und … nichts passiert. Die Bremse bremst nicht! Also zumindest nicht so wie sie sollte. Lediglich im letzten Viertel zeigt sie leichte Bremswirkung. Aber da ist der Dicke bereits bei rot über die Kreuzung gerauscht. Gut, dass niemand auf der Straße war. Was war das denn? Hinter mir ist keiner und ich probiere es gleich noch einmal mit ´ner scharfen Bremsung und wieder dasselbe Spiel. Also fahre ich vorsichtig, langsam und vorausschauend weiter und halte dabei gleichzeitig Ausschau nach einem Zeichen einer Werkstatt. Mutter entdeckt den Markt, zu dem wir eigentlich wollten und so fahren wir erst mal da hin.
In einer riesigen Halle ist ungefähr die Hälfte der Läden und Marktstände besetzt. Kriegen die nie einen Markt voll? Haben die immer zu groß geplant, oder was soll das mit den halbvollen Märkten?
Wir decken uns mit frischem Obst und Gemüse ein und Mutter ordert noch beim Fleischer Kottelets für alle. Im benachbarten Supermarkt gehen wir den Rest einkaufen. Mutter stellt fest, wie billig hier Obst und Gemüse im Vergleich zur Ware auf dem Markt sind. Ja, klar, Mutter, die kaufen das ja auch in rauen Mengen, um es auf ihre einzelnen Läden im ganzen Land zu verteilen, die zahlen natürlich auch nicht soviel wie wir beim Bauern direkt im Markt. Die Bauern vor Ort müssen ja auch von ihren Einnahmen leben. Außerdem verbrauchen die bestimmt nicht so viel Pestizide, wie die Großbauern, die die Supermärkte beliefern; also haben wir auch noch gesündere Kost vom Markt. Mutter hört nur mit halbem Ohr zu und fragt, was wir noch brauchen. Was soll ich mich aufregen… ich antworte „Joghurt.“ Ich hätte auch „Birmingham“ sagen können mit dem gleichen Ergebnis. Sie rennt eh durch alle Gänge und kauft ein, was wir in den nächsten Tagen gar nicht alles wegessen können.
Als nächstes machen wir uns auf den Weg in eine Werkstatt, und können beim besten Willen keine finden. Wieder raus aus dem Ort entdeckt Mutter ein Restaurant, das sie von früher kennt und lädt uns alle zum Essen ein. Sehr nobel eingerichtet. Wir bekommen das beste Essen seitdem wir unterwegs sind. Lecker.
Beim Hinausgehen frage ich am Tresen nach einer Werkstatt und werde zurück in den Ort geschickt. Und wirklich, kurz hinterm Ortsschild sehe ich in einer Seitenstraße eine kleine Werkstatt. Als ich das kleine Werkstattbüro betrete werde ich gar nicht beachtet. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich statt ungarisch Guten Tag „Jo napot!“ immer „Dzien dobry!“, nämlich polnisch Guten Tag sage. Ich kann mir das einfach nicht merken. Geduldig warte ich also, bis ich gefragt werde. Ich erkläre mit Händen und Füßen mein Problem mit der Bremse. Man versteht mich nicht. Erst als ein anderer Kunde bemerkt, dass ich Deutsche bin, fordert er mich auf, es ihm zu erklären, dann übersetzt er den Werkstattleuten, was er verstanden hat. Ich zeige auf den Dicken draußen, sie nicken und lassen sich den Fahrzeugschein geben. Der Ältere winkt mich in die Werkstatt, ich gehe hin. Er lacht und macht Lenkbewegungen, nein, ich soll den Wagen reinfahren. Ok, also alle Mann aussteigen. Ich schicke die Besatzung in das gegenüberliegende Einkaufscenter Kaffee trinken und will in die Werkstatt fahren, da seh ich, dass die Grube offen ist. Ich soll da rein fahren ohne den Dicken zu versenken? Das Tor ist ja kaum breit genug für das Mobil! Mir stockt der Atem. Ok, jetzt kannste zeigen, wie viel dir der Wagen wert is, denke ich mir und fahre vorsichtig durchs Tor. Nur nicht dran denken, dass unter dir kein Boden ist, spukt mir die ganze Zeit im Kopf rum und schon ist der Dicke drin. Na, hat doch super geklappt. Ich freue mich als wenn der Dicke schon wieder fahrtauglich wäre. Der Jüngere klettert in die Grube. Nun heißt es warten. Nach 20 Minuten, erheblichem Gepolter aus der Grube und zwei verpafften Zigaretten erscheint der Jüngere mit dem Älteren und zeigt mir ein in alle möglichen Richtungen gebogenes dickes Drahtseil, das offensichtlich einige erhebliche Roststellen und gar schon gerissene Stellen aufweist. Bei Beuys wäre das Modern Art gewesen, hier scheint es sich jedoch um das Feststellbremsseil zu handeln. Beide schwingen sich in einen Kleinwagen und sausen los. Ok, denk ich das werden sie wohl jetzt als Ersatzteil besorgen. Und richtig, 15 Minuten später sind sie wieder da und zeigen mir ein neues Drahtseil. Ich nicke, sie bauen ein. Mir ist immer noch nicht der Zusammenhang zwischen Feststellbremse und Fußbremse klar. Ich brems doch nicht mit der Handbremse?! Ich mein, so wie das alte Ding ausgesehen hat, wird es wohl das beste sein, das neue einzubauen. Aber hoffentlich vergessen sie dabei nicht das Problem der Fußbremse. Zwei weitere Zigaretten später ruft mich der Jüngere rein, ich solle ein Stück vorfahren. Ja, wo isser denn? Der hockt in der Grube und ich soll einen Meter über ihn drüber fahren? Der ist doch lebensmüde! Wenn ich nicht in der Grube lande und der Dicke ihn zerquetscht, bekommt er zumindest eine Abgasvergiftung, so wie der Dicke immer bei jedem Start qualmt! Ich kann leider kein Ungarisch, ihm diese Gefahren also leider auch nicht erläutern, und so fahre ich einen Meter weiter, damit er an den hinteren Teil des Wagens auch von der Grube aus rankommt. Er lebt noch, gut.
Ich setze meine Wartewanderungen auf dem Hof der Werkstatt fort und entdecke gegenüber meine Besatzung von einem Laden in den nächsten wandern. Wer sagt´s denn: des Wandern ist des Müllers Lust! Kommt Tochters Interesse nach Bummeln bestimmt entgegen diese Zwangspause. Ich winke hinüber, sie winken zurück und ich ziehe meine Schultern und Arme hoch, um zu zeigen, dass ich nicht weiß wie lange es noch dauern wird. Tochter winkt ab, klar, für sie kein Problem.
Weitere 20 Minuten später winkt der Ältere mich heran und fordert mich auf die Bremse zu testen: „Brems gut?“ Ich steige ein und trete das Pedal durch – kein Widerstand. Verwirrt schaue ich ihn an: „Nein, nichts!“ Er legt mir seine Hand auf den Arm und grinst: „Nix Gas, Bremse!“ Ich Trottel hab in der Aufregung Gas und Bremse verwechselt. So etwas ist mir in meiner gesamten Laufbahn als Autofahrerin bisher nur einmal passiert, aber dazu später mehr. Ich trete auf´s Bremspedal und spüre schon nach dem ersten Viertel starken Widerstand, klasse. „Ja, funktioniert! Super!“, freue ich mich. Er nickt, ich fahre den Wagen wieder aus der Werkstatt – millimeterweise und parke ihn auf dem Parkplatz. Die Rechnung bezahle ich mit allen Kronenscheinen, die ich noch bei mir habe. Aber ich kann dem Mechaniker doch keine kleinen Münzen als Trinkgeld dalassen. Also reiche ich dem Jüngeren einen 5,- € - Schein über den Tresen und bedanke mich. Er nimmt ihn, schaut ihn sich ganz genau an und sagt was auf ungarisch zu dem Älteren. Ich frage: „Is that ok?“ Der Jüngere nickt scheinbar verwirrt und ich verabschiede mich. Muß er jetzt sehen, wie er mit dem Wechseln des Scheines klarkommt, ich kann leider nicht anders. Es wird ja wohl irgendwo in dem Nest hier ´ne Bank geben.

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