23. Juli 2011

Wie man sich einen besonders schlechten Tag bei besonders schlechtem Wetter im ungarischen Thermalbad in Zalakaros machen kann

Noch einmal gehe ich zum benachbarten Campingplatz (Liget Hotel, 8749 Zalakaros, Gyógyfürdő tér 6, Ungarn) und frage, ob wir heute Wäsche waschen und auch trocknen lassen können. Waschen ja, trocknen nicht. Die Geräte wären leider defekt, ein Mechaniker unterwegs, aber bis heut Abend bestimmt nicht fertig. Macht nichts, ich freu mich über die gewaschene Wäsche zwei Stunden später und schleppe die im strömenden Regen zum Haus. Wie bekommen wir nun die nassen Klamotten trocken? Kurzerhand hänge ich die Wäscheleine draußen ab und dekoriere das Haus innen komplett mit der Wäscheleine. An jeden erdenklichen Haken oder Nagel wird sie festgebunden und wir können die Wäsche aufhängen. Gott sei Dank hat das Haus unten eine kleine Gasheizung, die nun angestellt und volle Pulle aufgedreht wird. In kürzester Zeit ist es bullig warm im Haus und wir öffnen die Terrassentür und die Fenster, damit die Feuchtigkeit abziehen kann.
Abends sitzen wir immer noch beisammen und beratschlagen was wir die nächsten Tage machen. So kommen wir unweigerlich auch zu der Frage, ob wir nun noch bleiben oder weiterfahren. Mein Standpunkt ist allgemein bekannt: mir ist es wurscht, wo es hingeht, ich will fahren. So studieren Mutter und Tochter die Karten und verwerfen eine Idee nach der anderen. Das nächste Bad wäre im nördlichen Ungarn. Das könnte man doch mal ausprobieren, damit Mutter da vielleicht noch mal hinfahren kann, das wäre dann nicht ganz so weit entfernt von Deutschland. Da mein Internetstick hier in Ungarn nicht funktioniert sucht Tochter das auf ihrem Handy raus. Die Preise und die Meinungen über das Bad, die wir im Net finden, lassen uns diesen Plan aber wieder verwerfen. Was wäre denn das nächste? Österreich? Bodensee? Bayern? Italien? Man kann sich noch nicht einigen.
Da Mutter den Kindern einen Besuch im Erlebnishallenbad versprochen hat wird das also auch besucht. Ok, regnet ja sowieso ununterbrochen. Der sonst gut besuchte Eingang des Bades ist heut ziemlich leer. Wir lösen Eintrittskarten für die Halle und gehen im Freibad erst einmal etwas essen, da wir heut spät dran sind und machen uns danach auf den Weg durch´s Freibad in die Halle.
Als wir das Treppenhaus betreten wird es schon ziemlich voll, als wir aber aus demselben hinaustreten in den ersten großen Flur, um ins Hallenbad zu kommen, trifft uns fast der Schlag. Solch eine Menschenmasse und solch ein Lärm begegnen mir normalerweise nur auf dem Jahrmarkt. Hier hat sich ganz Ungarn versammelt! Wir drängeln uns durch bis zu den Umkleidekabinen im Keller. Hier gibt es zwar Kabinen, aber die können nur die benutzen, die an der Kasse eine extra Karte bezahlt haben. Unsere Klamotten werden von einer Garderobenfrau in einen Beutel an einem Bügel gesteckt und gegen Ausgabe einer Marke aufbewahrt. Also los. In der ersten Halle im oberen Stock falle fast über das Geländer ins Becken als ich die vielen Menschen im Raum und im Wasserbecken sehe. Ich bin total erschlagen, verwirrt und wütend. Hier kann man doch nicht baden! Das ist doch viel zu eng. Die können doch nicht immer mehr Leute hier reinlassen! Was passiert, wenn hier eine Panik ausbricht, möchte ich mir nicht vorstellen.
Überall stehen weiße Liegen aneinandergereiht eine neben der anderen, kaum daß Platz für Wege irgendwohin bleibt. Mutter beruhigt uns, wir sollen mal in die nächste Halle gehen, da wär´s bestimmt leerer. Ich schaue sie zweifelnd an, mache mich aber mit ihnen auf den Weg. Es gibt eine zweite Halle, es gibt hier auch Liegen, es gibt hier aber auch genauso viel Lärm und fast noch mehr Menschen.
Draußen entdecke ich eine Terrasse mit etlichen leeren Liegestühlen und im Erdgeschoß Becken im Freien, die warm im Regen vor sich hindampfen. Was mache ich hier? Gerate ich in solche lächerlichen Situationen, drängt es mich jedes Mal etwas ebenso Lächerliches zu tun, um den Druck loszuwerden. Schreien wär jetzt bestimmt sehr entspannend! Stattdessen öffne ich die Tür zur Terrasse, um mir eine von den regennassen Liegen zu ergattern, um sie als Basislager an einem strategisch wichtigen Ort zu platzieren. Danach können wir weitersehen. Mir wird die Tür aus der Hand genommen, eine Badmitarbeiterin wischt mit einem Lappen die Liegen fast trocken und ich verteidige inzwischen meine Stellung an der Tür, um die erste Liege zu bekommen. Hab sie! Ich schleppe das schwere Ding in die erste Halle und entdecke wirklich noch einen schmalen Platz am Geländer, auf dem ich sie triumphierend fallen lasse. Kaum steht sie, wird sie auch schon von einer schmalen Dame beiseite geschoben. Ich schiebe dagegen ihre Liege beiseite und mache ihr klar, dass hier noch ein Kinderbuggy hinmüsse. Sie schiebt zurück, ja, is genug Platz. Ich hau der gleich die Liege um die Ohren, der Schnepfe! Muttern verabschiedet sich in ihr Schwefelbecken, sie weiß ja, wo sie uns findet. Ich bekomm das gar nicht richtig mit, weil ich der Schnepfe gleich eine verpasse, wenn die meine Liege noch mal anfasst!
Ich schaue Tochter und das Enkel an, nehme beide und den Buggy und gehe mit ihnen raus zu den dampfenden Becken. Es hat inzwischen aufgehört zu regnen. Hier kann ich bestimmt besser Dampf ablassen. Wir steigen in das heiße Bad und genießen die Ruhe. Wir würden am liebsten wieder gehen. Mutter hat natürlich den Schlüssel zu unserem Haus, zudem weiß sie nicht, wo wir sind, wir wissen nicht, wo sie ist und wann sie wieder gehen will. Klasse Idee mit dem Erlebnisbad – auf solche Erlebnisse kann ich echt verzichten!
Nach einiger Zeit mache ich mich auf Mutter zu suchen. Die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu finden wäre einfacher gewesen. Zweimal mache ich eine große Runde durch die kompletten Bäder inklusive Behandlungsräume und Saunen durch die Menschenmassen hindurch. So kann man einen Tag im Erlebnisbad auch herumkriegen. Als Enkel anfängt zu frieren und auch Tochter genug hat, holen wir unsere Kleidung aus der Garderobe und dann wandern wir gemütlich ins Freibad, um Mutter vielleicht am Schwefelbad draußen zu finden. Keine Spur von ihr.
Also warten wir halt einfach auf einer Bank am Ausgang, hier muß sie ja irgendwann vorbeikommen, und mampfen unsere Stullen. Das Enkel vergnügt sich ein wenig am Springbrunnen, bis es plötzlich ruft: “Da ist Oma!“ Ah, ja! Ohje, und ihr Gesicht verrät, dass sie ziemlich angefressen ist. Wo wir denn die ganze Zeit gewesen wären? Sie wäre elendig lange herumgelaufen, um uns zu suchen usw. Laß mal gut sein, zieh dich am besten erst einmal um, wir warten hier. Daß wir ihr mit ebensolcher schlechten Laune begegnen könnten, weil sie den Hausschlüssel an sich nimmt, statt ihn denjenigen zu geben, die wegen dem Kind natürlich viel eher einen Grund haben das Bad zu verlassen, dass ich die meiste Zeit mit Suchen nach ihr verbracht habe, daß sie uns einfach hat stehen lassen in diesem Chaos, dass ich das eine Scheißaktion mit dem Scheißbad mit den Scheißmenschenmassen hier insgesamt finde… das hab ich ihr nicht gesagt. Ich hätte ja auch einfach wieder gehen können. Mache ich nächstes Mal auch!
In solchen Situationen möchte ich gerne auch innerlich so ruhig bleiben können wie ich ihr von außen erscheine.

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