21. Juli 2011

Wie man Tschechien besonders scheiße erleben kann

Wir machen uns bald wieder auf den Weg um eine Übernachtungsmöglichkeit für die nächste Nacht zu finden. Mutter mag bestimmt nicht noch eine Nacht im Wagen verbringen. Am frühen Abend sind wir wieder in der Tschechei.
Hier werden Übernachtungsmöglichkeiten bestimmt auch besser zu finden sein und günstiger ausfallen.
Muttern meint, dann müssen wir aber auch unbedingt nach Prag, über die goldene Brücke laufen und die große Festungsanlage besichtigen. Gut, passt, Prag darf also nicht ausgelassen werden. Wollt ich eh schon immer mal hin.
Nach einigem Hin und Her finden wir die Festungsanlage, ist auch kaum zu übersehen, bei dem Touristenrummel um sie herum, nur ich fahr natürlich dran vorbei, weil ich die Burg gar nicht sehe. Einige Einbahnstraßen weiter finden wir eine Sackgasse der Anlage gegenüber, die zum Parkplatz umfunktioniert wurde. Wir bezahlen die obligatorische Parkplatzgebühr und besichtigen die Festung Hradschin.
Imposant: eine riesige Anlage mit Burg, Kirche, Befestigungsmauern und allem Pipapo, Touristenläden, Restaurants, Wachsoldatenwechsel in steifem Ritual bis DDR-Spielzeugmuseum, und natürlich Touristen aller Quoleur. In einem Restaurant gehen wir Mittag essen. Seltsames Ambiente… in einem großen Gebäudekomplex untergebracht in der hintersten Ecke, Essen seltsam und teuer, über 80,- € müssen wir blechen! Das verkneifen wir uns nächstes Mal! Die übrigen Räume im Haus erinnern mich an ein öffentliches Gebäude, mit Gästebuch, Bildern von Besuchern politischer Persönlichkeiten, vielleicht waren wir hier in der Kantine einer Botschaft gelandet.
Hradschin- Festung Prag / Quelle: pics.de

Nun wollen wir noch unbedingt über die Karlsbrücke. Ich fahre also die Moldau entlang bis Mutter die Brücke entdeckt. In der Altstadt in kleinen Gassen finde ich auf einem großen Platz vor einer Kirche einen Parkplatz. Es fängt wieder an zu regnen. Na, klar! Die Stadt wimmelt nur so vor Touristen. Wir drängeln uns durch eine Ladenpassage, in der Tochter einen Laden mit Figuren vom kleinen Maulwurf entdeckt; da muß eine für das Enkel mit.
In strömendem Regen laufen wir über die Brücke. Riesige Statuen mit den geschichtlich wohl wichtigsten Herrschern Prags oder Tschechiens säumen das Brückengeländer.

Ebenfalls stehen dort Massen von Touristenständen, Kunstmaler, Souvenirstände, Postkartenverkäufer und Bettler. Die Bettler fallen mir nur auf durch ihre seltsame Haltung. Die knien auf dem Boden in strömendem Regen, die Stirn auf´s Pflaster gelegt und die Hände ausgestreckt, einen Plastikbecher haltend, in dem einige Münzen liegen. Demut dem Spender gegenüber? Dem Schicksal? Wollen die dadurch erbarmungswürdiger aussehen? Was weiß ich. Ich will hier weg, is alles zu naß und zu kalt und zu voll.

Karlsbrücke in Prag/ Quelle: pics.de

Aus der Altstadt herauszukommen gestaltet sich etwas schwieriger. Wir fahren eine enge Einbahnstraße entlang, ich freu mich, dass wir gerade so durch die engen Gassen passen mit dem Dicken, da steht vor uns plötzlich eine Brücke, die gewiß nicht gebaut wurde, um meinen Dicken durchzulassen, so niedrig wie die ist. Was nu? Wir befinden uns in einer Einbahnstraße und nirgends war ein Hinweisschild auf diese Spielzeugbrücke zu sehen gewesen! Also, Rückwärtsgang rein und die Straße wieder zurück. In einer Sackgasse kann ich rückwärts einscheren, um die Einbahnstraße zurückzufahren. Wir kommen heil aus dem Gassengewirr heraus.
In der Stadt auf der anderen Seite der Moldau kommen wir an eine Verengung einer Straße, in der Mitte Gleise der Straßenbahn, die natürlich just in dem Moment in diese Verengung fährt, die wir gerade passieren. Da Platz genug für uns beide ist, fahre ich vorsichtig in Schrittgeschwindigkeit weiter. Hinter dieser Verengung springt mir plötzlich ein Polizist vor den Wagen, ein zweiter folgt. Bevor der erste vor dem Fahrerfenster herrisch was auf tschechisch fordert, kann ich noch meine großen Scheine aus meinem Portomannaie unter den Fahrersitz stopfen. Ich kurbel das Fenster halb runter und grüße ihn freundlich. Der mag mich nicht. Er herrscht mich auf tschechisch an und ich verstehe kein Wort, außer: „Passport!“ Ich zeige ihm meinen durch das Fenster und halte ihn fest. Wütend reißt er ihn mir aus der Hand und blökt mich an „ICH POLIZIST!“ und zeigt auf seine Uniform. Ja und, du Hampelmann, was heißt das schon? Ich sehe mich schon im Geiste im tschechischen Gefängnis und lege mir meine Worte zurecht, die ich ihm stereotyp wiederholen werde, wenn es ernst werden sollte: „Deutsche Botschaft! Ich verlange die Deutsche Botschaft!“
Es scheint den Herrn Polizisten sehr zu nerven, dass er sich wiederholen muß: scheinbar war die Durchfahrt in der Straßenverengung neben der Straßenbahn verboten. Ich schaue in den Rückspiegel und sehe mehrere PKW da durchfahren. Erkläre ihm mein Unverständnis, er hört gar nicht zu, deutet mir ein Stück weiter rechts ranzufahren und nimmt meinen Ausweis mit. Beim Weggehen zischt er ein „Deutsch!“ zwischen den Zähnen hervor. Der mag mich eindeutig nicht. Sein Kollege kommt und füllt einen Strafzettel aus. Ich frage wie viel er verlangt, er zeigt 2000,-. Ja, geht´s noch?! Ich zeige ihm meine letzten beiden 20,-€-Scheine im Portomonnaie und sage, dass wir damit nach Hause müssen. Er hält mir weiterhin wortlos den Strafzettel hin. Mein Bitten und Betteln nutzt nichts, nach einer Weile zeigt er auf die Bargeldautomaten drei verschiedener Banken hinter sich. Mir dämmert: die postieren sich hier extra an dieser Stelle, damit die dummen Deutschen hier auch ja keine Ausrede haben, nicht zahlen zu können. Ich kapituliere, der hat eindeutig den längeren Atem oder den mieseren Vorgesetzten hinter sich, der inzwischen den nächsten zahlenden Kandidaten aus dem Verkehr zieht, um ihn zu seinem Kollegen zu schicken. Mir dagegen sitzen ängstliche, erschrockene Menschen im Nacken, meine Familie, die nie was mit der Polizei am Hut hat und keinen Wert auf dramatische Wendungen in ihrer Leben legt. Ich gehe also über die Straße und ziehe aus dem nächsten Geldautomaten 2000,- tschechische Kronen. Beim Zurückgehen macht sich grad der aus dem Verkehr gezogene deutsche PKW, der vor dem Dicken gehalten hat, aus dem Staub. Ich muß grinsen. Wenigstens einer entkommt dieser miesen Masche! Ich zahle, bekomme auch eine Quittung, die ich dem Schweigsamen gern einfach vor die Füße werfen würde. Aber nachher komm ich noch wegen Umweltverschmutzung dran und wer weiß, was das denn noch kostet! Also stecke ich sie brav mit meinem Ausweis zusammen ein und hab insgesamt die Schnauze voll von Prag.
Egal wie golden die Stadt sein soll, wenn dann wohl von dem abgezockten Geld der Touris.

Froh aus der Hauptstadt zu sein, machen wir uns auf in Richtung deutsche Grenze. Hinter Prag finden wir einen großen, gut besuchten Campingplatz an einem See. Überall stehen Zelte, Wohnwagen, PKW, Hütten. Wir fragen an der Rezeption nach einer Hütte für Mutter und ich bin insgeheim froh, dass alles restlos ausgebucht ist. Vor der Rezeption stehen Gruppen von jungen Leuten in Jogginghosen und lamentieren laut. Der Platz macht eher den Eindruck eine Jugendcamps; überall liegt Müll rum, die Hütten sind ziemlich verwahrlost.
Wir fahren in den Ort zurück, um in einer Pension nachzufragen. Niemand öffnet auf unser Klingeln hin. Ok, wer nich will, der hat schon.
Im örtlichen Lädchen gehen wir noch einige Lebensmittel besorgen. Ich brauch dringend meine Butter auf´m Brot. Mutter greift zu einer mit bunter Alupackung und gescheckter Kuh drauf. Ich frag sie, warum sie nicht die einfach verpackte, wesentlich günstigere daneben nimmt. Sie hält mir die bunte teure Butter unter die Nase und meint, dass die mit der Kuh doch viel hübscher aussehe. Ich schau sie an und frage mich, ob ich wohl ein Findelkind gewesen oder ihr irgendwie untergejubelt worden sei im Krankenhaus nach meiner Geburt. Ich lege die Butter im weißen Papier in den Einkaufskorb und geh die Nudeln suchen.




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